Mit Lebensfreude Grenzen überfliegen...

Samstag, 30 September 2023 14:42

Interview mit Andreas (Pepe) Malecki

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Andreas (Pepe) Malecki Andreas (Pepe) Malecki Andreas (Pepe) Malecki

Die meisten kennen Andreas Malecki unter dem Namen Pepe. Woher dieser Name kommt und wie er seine Flugbegeisterung entdeckt hat und was ihn nach über 100 World-Cups immer noch motiviert an Wettbewerben teilzunehmen, erfährst du in diesem spannenden Interview.

 Hör dir das Interview als Podcast an:

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Hier das Transkript vom Interview mit Pepe zum nachlesen:

 

Hallo und herzlich willkommen bei WinMental. Heute habe ich dir im Interview Andreas, alias Pepe, Malecki mitgebracht. Pepe fliegt schon seit 1989 Gleitschirm. Er war viele Jahre in der deutschen Gleitschirm Nationalmannschaft und in diesem Jahr ist er seinen hundertsten World Cup mitgeflogen. Unglaublich, oder? Und er konnte dieses Jahr die Gesamtwertung der deutschen Gleitschirmflieger für sich entscheiden. Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Interview.

Hallo Pepe, danke, dass du dir Zeit nimmst für ein kleines Interview mit mir. Jetzt fällt mir gerade spontan eine Frage ein. Woher kommt eigentlich der Name „Pepe“?

Also erstmal hallo Yvonne. Ja, woher kommt der Name? Ich war früher sehr aktiv im Squash. Und im Squash ist da mal etwas entstanden, dass ich mit Freunden zusammensaß und dann nannte mich einer irgendwie kleiner Eseltreiber, weil ich da immer so frech war, und so, und Eseltreiber heißt typischerweise Pepe. Und dann kam ich irgendwie zu dem Namen. Das ist aber jetzt schon mittlerweile bestimmt 40 oder 45 Jahre her, also ganz lange her, schon bevor ich eigentlich mit dem Gleitschirmfliegen angefangen habe.

Okay, aber der Spitzname ist dir treu geblieben.

Der Spitzname ist mir so treu geblieben, dass in der Gleitschirmszene eigentlich nicht mal mein Nachbar weiß, wer gemeint ist, wenn mich jemand mit Andreas anspricht, weil jeder mich eigentlich nur unter Pepe kennt.
Und ich habe mich so daran gewöhnt. Und da habe ich auch eine nette Story zu. Und zwar bin ich mal mit meiner Mutter zum Wettbewerb an die Mosel Open gegangen und die saß dann dabei und dann kamen so viele Menschen, die mich alle Pepe nannten, und sie guckte mich immer an und guckte ganz verwirrt auf die anderen und als sie dann weg waren sagte sie „aber die nennen dich ja alle Pepe“. Ich meinte „ich heiße so“. „Aber du bist doch der Andreas, das gibt's doch gar nicht“. Also für meine Mutter völlig unverständlich, dass mich jeder mit „Pepe“ ansprach. Aber der Name hat sich halt durchgesetzt in der Szene.

Auf deiner Internetseite schreibst du, du hättest 1989 mit dem Gleitschirmfliegen in Ruhpolding angefangen. Also als Münsteraner ist es ja jetzt nicht unbedingt naheliegend, dass man mit Gleitschirmfliegen anfängt. Wie bist du dazu gekommen? Das Herz klopft nicht so, weil ich einfach einen guten Start hingelegt habe. Dann ist der Flug, der Einstieg in die erste Thermik, ruhiger und ausgeglichener. Wenn ich mir schon Gedanken machen muss, ob ich überhaupt in die Luft komme, weil ich meinen Schirm nicht unter Kontrolle habe, dann ist der ganze Flug auch bescheiden. Deswegen ist für mich wichtig, dieses Gleithandling zu beherrschen, dass ich den Schirm in allen Lagen kontrolliert ablegen kann, kontrolliert aufziehen kann und einfach mehr Kontrolle drin habe. Das kann auch bei Piloten, die schon 20, 30 Jahre fliegen, vernachlässigt werden.

Also, sie sollten mal wieder zum Gleithandling gehen und einfach mit ihrem Schirm mal spielen. Das ist einfach deutlich besser, und die Ausgeglichenheit kommt in die Luft.


Ja, das waren eigentlich zwei Zufälle. Erstmal `88, da war ich mit Freunden Skifahren in Großarl, Nähe St. Johann, und habe da eigentlich so ein paar bunte Schirme am Himmel gesehen und habe gesagt „das muss ich machen“. Und dann war am Jahresende `88 bei uns im Squash ein großer Wettbewerb und eine Tombola und ich habe 20 Lose gekauft und war ganz enttäuscht, dass ich eigentlich vor der Endziehung des Hauptgewinns noch keinen Gewinn hatte. Jeder hatte irgendwie einen Gewinn, nur ich nicht mit meinen 20 Losen. Und dann bin ich aber witzigerweise vor der Ziehung des Hauptloses, eine Reise für eine Woche Mallorca, nach vorne gegangen und habe gesagt „ja, ich glaube, ich habe gewonnen“. Der Veranstalter, einer vom Reisebüro, sagte dann „Pepe, geh mal nach hinten, wir haben das Los noch nicht gezogen mit dem Hauptpreis“. Ich sagte dann zu ihm „ich gewinn aber den Hauptpreis“. Ich blieb dann auch vorne stehen und ging nicht mehr nach hinten. Und als dann das Los von der Fee, einer anderen Squash Teilnehmerin, gezogen wurde, hatte ich tatsächlich den Hauptpreis gewonnen. Alle waren eigentlich überrascht und riefen Schiebung und sowas alles, weil ich schon vorher dastand.
Dann habe ich diesen Hauptpreis mit dem Veranstalter direkt umgetauscht gegen eine Gleitschirmausbildung. Also ich habe dann gesagt „Mallorca möchte ich nicht, aber mich interessiert eigentlich so eine Gleitschirmausbildung“ und dann sagte er „okay, machen wir“. Dann habe ich das umgetauscht gegen eine 4-5-tägige Grundscheinausbildung.

Okay.

Dadurch kam ich dann eigentlich zum Gleitschirmfliegen, weil ich damit dann die Reise nach Ruhpolding gebucht hatte. Also das hatte das Reiseunternehmen direkt für mich gebucht, Ruhpolding, ich kannte gar keine Flugschule und das wurde alles von dem Reiseunternehmen, bei dem ich den Hauptpreis gewonnen hatte, gebucht und so kam ich zum Gleitschirmfliegen.

Und wie ging es dann danach weiter? Ich meine, in Münster, da sind jetzt nicht so viele Berge, du bist glaube ich auch nicht nach Ruhpolding gezogen, soweit ich weiß. Wie hast du dich dann fliegerisch weiterentwickelt?

Ja, das ging ziemlich schnell. Als ich den Grundkurs machte und die ersten Meter abhob, war eigentlich der Bazillus schon drin, und ich habe genau gespürt, "es ist mein Hobby". Und obwohl ich eigentlich ziemlich tief im Squash war, ich war in der Bundesliga Squash, war auch vielfacher Meister, ich war Deutscher Meister im Betriebssport und NRW-Meister und ganz viele Sachen hatte ich da gewonnen und war eigentlich ganz fest drin und hatte mir zu dem Zeitpunkt nie vorstellen können, dass ich mit dem Squashspielen aufhören könnte. Aber tatsächlich habe ich dann diesen Schein gemacht und dann auch direkt im Anschluss die Höhenausbildung und, ich glaube, ein halbes oder dreiviertel Jahr später schon die B-Schein Ausbildung. Ich hatte dann so viel Freude an diesem neuen Sport. Squash habe ich dann zwar noch so ein, zwei Jahre mitgespielt, aber eigentlich ging meine Freizeit mehr und mehr immer wieder drauf fürs Gleitschirmfliegen.

Gab es damals auch schon Winden, mit denen man starten konnte, oder bist du dann tatsächlich immer in die Alpen gefahren zum Fliegen?

Tatsächlich war der Gedanke da, und wir haben einen Club gegründet. Also Windenfliegen gab es schon 1989, 1990 und als ich meinen A-Schein fertig hatte `89, haben wir tatsächlich einen Club gegründet, und zwar den Münsterland Gleitschirmclub, der wurde 2, 3-mal umbenannt, aber er existiert immer noch als Gleitschirmclub Diomedea. Den hatte ich damals mit Tom und Uli Dillmann gegründet, wir haben das zu dritt in Angriff genommen und dieser Club existiert noch. Es ist ein kleiner Club, das sind 50, 60 Mitglieder, aber er ist immer noch aktiv und es ist eine nette Gruppe. Wo ich auch ab und zu noch dem Windenfliegen fröne.

Okay, also ihr habt dann tatsächlich das Windenfliegen angefangen, in Münster, mit dem Club?

Ja genau, wir haben Gelände gepachtet und so weiter, und nach wie vor ist das immer noch eine Freude. Aber ich bin jemand, der gerne seinen eigenen Startzeitpunkt irgendwo haben möchte und deswegen bin ich dann doch eher, wenn ich mal zu Hause fliegen gehe, im Sauerland unterwegs.

Also unabhängig von anderen Menschen.

Ja.

Und dann vergingen ja so ein paar Jahre, und du hast dich dann erst 1999 das erste Mal entschieden, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Wie kam das dazu, was hatte dich motiviert, mal beim German Cup mitzumachen?

Das war eigentlich Rüdiger Gördes, den ich hier in Bassano, also ich bin gerade in Bassano, getroffen habe. Und der war gerade führender beim German Cup. Und wir haben oben am Startplatz gesessen und haben dort so ein bisschen philosophiert, weil das Wetter eigentlich gar nicht so gut war zum Fliegen, und er sagte dann „er fliegt den German Cup und dass heute eigentlich nicht viel möglich ist“.
„Ja doch“, sage ich, „es ist viel möglich hier. Man könnte jetzt zum Beispiel bei dem Südostwind hier rausgehen und aufsurren und zur Kapelle rübersurren, dann wieder zurückspringen über den Oststartplatz, dann nach hinten springen zu dem hinteren Ost-Südstartplatz und dann zum Oststartplatz vorsurren, wieder an der Drachenrampe aufsurren und wieder Toplanden“, sag ich. „Das ist möglich heute“. Er sagt, „dass ist unmöglich bei diesem Wetter“. Und dann bin ich rausgestartet und nach anderthalb Stunden bin ich dann wieder Topgelandet mit genau dem Flug wie ich ihn vorher erklärt hatte, und er sagte „du musst Wettkampf fliegen, das hätte hier keiner geschafft an diesem Tag“. Da sage ich „hm“. Man wusste ja nicht, wie gut man war, und deswegen habe ich es dann wirklich zwei, drei Monate später beim ersten German Cup auch ausprobiert, wie mir das Wettkampffliegen gefallen wird. Also da war eigentlich Rüdiger Gördes derjenige, der mich dazu gebracht hat.

Ich habe dann auf deiner Internetseite gelesen, dass du den ersten Durchgang auch gleich gewonnen hast. Hast du den Wettbewerb dann auch gewonnen?

Nee, den Wettbewerb bin ich, glaube ich, nur Zweiter oder Dritter geworden, denn ich hatte im ersten Durchgang, in dem ich gestartet bin, tatsächlich so viele Missverständnisse. Mein Vario war eigentlich leer, ich hatte keinen Ton mehr im Vario und bin dann ohne Vario geflogen und habe trotz dessen den ersten Durchgang gewonnen. Im zweiten Durchgang war dann irgendwie der Uli Wiesmeier damals als World Cup Gesamtsieger mit einem Bumerang 1, den er Probe geflogen hatte. Damals kam der Bumerang 1 gerade raus, er flog dann diesen German Cup mit, aber vorneweg, also der ist 20 oder 30 Minuten vorher gestartet und ist die Aufgabe vorgeflogen. Und tatsächlich habe ich im zweiten Durchgang immer einen Schirm vor mir gesehen, der Uli Wiesmeier gehörte, der aber nicht im Wettbewerb war. Den habe ich versucht einzuholen, und dabei bin ich dann abgesoffen. Es war eigentlich so, ich habe mich auf jemanden eingelassen, der eigentlich besseres Material hatte und auch wirklich zu dem Zeitpunkt einer der weltbesten Piloten war. Und da bin ich dann abgesoffen und bin dann, glaube ich, nicht auf dem Podium gewesen. Ich weiß es gar nicht mehr so genau. Das waren so meine Anfänge. Ich war damals schon ehrgeizig und wollte den World Cup Gesamtsieger, Uli Wiesmeier, eigentlich schlagen.

Sehr gut. Nicht die kleinen Ziele, sondern gleich den Großen nehmen.

Ja, genau. Und da kommt eigentlich meine Motivation her. Ich war damals sehr aktiv im Squash und habe extrem viel trainiert. Ich habe viele Bücher über Hypnose, Motivation und ähnliche Themen gelesen. Ich war schon immer ein sehr ehrgeiziger Mensch und habe mich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Ich glaube, du beschäftigst dich ebenfalls sehr mit Motivationstraining. Damals habe ich wirklich viele Fachbücher gelesen, um meine Motivation und Zielsetzung in meinem Leben gezielter anzugehen. Und das habe ich auch immer so durchgezogen. Zielsetzung war für mich immer etwas sehr Wichtiges. 

Wie setzt du deine Ziele? Es gibt verschiedene Ansätze, um Ziele anzugehen. Es gibt Ergebnisziele, zum Beispiel „ich werde erste“, oder es gibt Prozessziele, bei denen man sich darauf konzentriert, sich weiterzuentwickeln, an seiner Technik zu feilen oder seine fliegerischen Fähigkeiten zu verbessern oder an der Entscheidungsfindung zu arbeiten. Dann gibt es noch Haltungsziele, bei denen man seine Einstellung betrachtet, die benötigt wird, um gute Ergebnisse zu erzielen. Wie sieht das bei dir aus? Wie setzt du deine Ziele?

Erst einmal muss ich sagen, dass ich durch das Squash-Training bereits eine sehr gute Grundlage hatte. Ich hatte Ausdauer, Schnellkraft und eine schnelle Reaktionsfähigkeit entwickelt, was für Squash extrem wichtig ist. Ich hatte wirklich sensationelle Werte, wie ein Sport-EKG bei meinem Arzt zeigte. Ich war gut trainiert, hatte Schnellkraft, Ausdauer und vieles mehr entwickelt. Squasher müssen in vielen Bereichen gut sein. Das konnte ich dann auch beim Gleitschirmfliegen extrem gut nutzen. Als ich mit dem Gleitschirmfliegen begann, habe ich mich sofort mit anderen gemessen. Ich wollte jeden überhöhen, der am Berg war. Dann habe ich wieder abspieralt. Ich bin das immer trainingsmäßig angegangen. Ich habe kurze Strecken geflogen, bis zum nächsten Berg, und dann so schnell wie möglich wieder zurück. Ich habe versucht, diese Strecke ohne Höhenverlust zu schaffen. Diese Strecke habe ich immer wieder gemacht und dabei versucht, immer schneller zu werden und besser zu bewältigen. Das war vorher im zwei Kilometer Bereich und das habe ich versucht immer weiter auszudehnen. Ich habe angefangen, mich mit anderen Piloten zu messen und versucht, sie in der Luft zu schlagen, auch, wenn ich in den ersten 10 Jahren noch nicht Wettbewerb flog. 

Besser zu sein als die anderen.

Ja genau, das war immer ein Ziel. Aber ich wusste nie wirklich, wie gut ich war, bis ich anfing, an Wettbewerben teilzunehmen. Ich stellte fest, dass ich die meisten anderen Piloten in der Luft auskurbelte und extrem schnell war. Und dass das Thema Gleitschirmfliegen durch meine Motivation sehr gut angegangen bin. 

Und setzt du dir dann tatsächlich immer Ergebnisziele, also „besser sein als der, schneller sein als der“ oder „schneller aufdrehen als der“? Oder sagst du dir, „ich versuche, ständig dazuzulernen und meine Fähigkeiten zu verbessern“?

Durch mein Motivationstraining habe ich den Sport gefunden, der mir extrem viel zurückgibt. Ich finde es schwer zu erklären, aber wenn ich beispielsweise ein 100-Meter-Läufer bin, erreiche ich irgendwann meine beste Leistung, und es ist schwer, diese Leistung zu übertreffen. Ich kann vielleicht nicht mehr schneller werden, als wenn ich jetzt jung und dynamisch bin und eine gute Muskulatur habe. Als Gleitschirmflieger oder Segelflieger kann man jedoch immer noch besser werden. Man kann sein Verständnis für die Luft vertiefen und nie aufhören zu lernen. Man wird nie fertig. Gute Gleitschirmflieger oder Segelflieger haben ein Verständnis für die Luft, das sich ständig weiterentwickelt. Sie erkennen gute Linien und Aufwinde, die andere nicht sehen, und können an manchen Tagen ohne viel Höhe zu gewinnen, lange Strecken fliegen. Dieses Verständnis kann immer weiterwachsen. Man kann immer versuchen, das Wetter besser zu verstehen und sich in andere hineinzuversetzen. Zum Beispiel wusste ich bei meinem letzten Wettbewerb im Voraus, dass meine Konkurrenten Fehler machen würden und zu niedrig fliegen würden. Ich konnte mich in ihre Denkweise versetzen und ihre Flugweise kontrollieren. Das half mir, den task zu gewinnen und das Overall für mich zu entscheiden. Ich denke, dieses Verständnis muss wachsen, und man muss sich erlauben, mit der Aufgabe zu wachsen. Nach 34 Jahren des Fliegens sage ich mir immer noch, dass ich als Pilot noch nicht fertig bin. Ich lasse immer noch neue Sachen auf mich zukommen und entwickle mich weiter. Ich habe nie gesagt, dass ich ein guter Pilot bin, sondern dass ich immer noch Raum für Verbesserungen sehe, weil es immer wieder neue Sachen gibt, die ich lernen kann.

Ja, das finde ich auch, dass man beim Fliegen immer dazu lernt. Oder wenn man dann meint, meist in der Anfangszeit, „jetzt habe ich es kapiert“ und dann stehst du doch nach Fund Minuten am Boden und merkst „okay, ich habe doch noch ganz viel zu lernen“.

Natürlich wissen wir alle, dass man aus Fehlern mehr lernt als aus positiven Erfahrungen. Aber man muss es trotzdem zulassen. Ich habe zwei, drei Kollegen, die wir beide sehr gut kennen, und sie lassen eigentlich nicht zu, dass sie ihre eigenen Fehler erkennen. Stattdessen sagen sie immer, dass der Schirm nicht gut ist und neu getrimmt werden muss oder dass jemand sie aus dem Wettbewerb gedrängt hat. Sie geben nicht zu, dass sie selbst der Fehler sind. Wenn sie erkennen würden, dass sie Fehler gemacht haben, könnten sie sich weiterentwickeln. Aber wenn sie immer nur die Fehler bei anderen oder äußeren Umständen suchen, können sie sich nicht verbessern. Ich glaube, man muss die Fehlersuche bei sich selbst ansetzen, um sich weiterentwickeln zu können. Dann kann ich auch besser werden.

Das ist auch wichtig, um ein dynamisches Selbstbild zu entwickeln, wie es in der Psychologie genannt wird. Wenn man ein statisches Selbstbild hat und denkt, man sei ein großartiger Pilot oder Sportler, dann sucht man immer nach anderen Schuldigen, wenn etwas schiefgeht. Wenn man jedoch ein dynamisches Selbstbild hat, wie du es gerade beschreibst, dann schau ich, was habe ich selbst dazu beigetragen, dass etwas schiefgelaufen ist, und wie kann ich mich weiterentwickeln.

Und das ist nicht unbedingt abhängig vom Alter. Ich bin einer der älteren Piloten, aber ich sehe auch junge Piloten wie Philipp Haag, der noch extrem jung ist und schon so eine Ruhr in sich hat. Den bewundere ich, weil er schon mit 28 Jahren sehr erfolgreich, ruhig und abgeklärt ist. So war ich mit 28 Jahren wirklich nicht, ich war ein Hitzkopf. Ich bewundere junge Menschen, die so früh in ihrem Sport do seriös, so gut sind und eine Vorbildfunktion haben, auch für mich. Ich habe auch Vorbilder in jungen Menschen, die einfach auch mit 28 Jahren schon so abgeklärt sind.

Ja, das stimmt. Und bei ihm merkt man auch, dass es ihm so viel Freude und Spaß macht.

Ja. Und er macht ja nicht nur das. Wir haben grad noch miteinander gechattet. Er ist jetzt grad zu Fuß unterwegs, er macht eine Alpenüberquerung mit Freundinnen und Freunden. Philipp macht einfach viele verschiedene Dinge und ist offen für Neues, was ich toll finde.

Ja, das ist sehr schön. 

In diesem Jahr bist du deinen hundertsten World Cup geflogen, was dich zum Piloten mit den meisten geflogenen World Cups überhaupt macht. Was macht für dich den Reiz beim World Cup fliegen aus? Ist es etwas Besonderes für dich?

Erst einmal muss ich sagen, dass das freie Fliegen, das ich zehn Jahre lang betrieben habe und bei dem ich große Strecken geflogen bin, toll ist. Aber ein Wettbewerb, bei dem ich mich an einem Tag mit 120 anderen Piloten messe und wir alle dieselben Bedingungen haben, ermöglicht es mir, mich selbst mit anderen zu vergleichen und meine eigenen Fehler zu erkennen. Es ist eine Gelegenheit, meine eigenen Fähigkeiten zu testen und zu sehen, wo ich mich verbessern kann, weil andere vielleicht nicht dieselben Fehler gemacht haben. Das macht das Wettbewerbsfliegen für mich aus. Man sieht sehr viele gute Dinge, die gut geklappt haben. Zum Beispiel bei einem meiner ersten Wettbewerbe, den German Open in Greifenburg 2001 oder 2000, ich weiß gar nicht mehr genau. Wir hatten eine 60 km Aufgabe oder 66 km Aufgabe, aber wir hatten 100% Schatten. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, an diesem Tag auf Strecke zu gehen, weil es für mich utopisch war, 66 km bei 100% Bewölkung zu fliegen. Aber wir sind geflogen, und an diesem Tag bin ich Zweiter geworden. Stefan Stiegler, damals Weltmeister, wurde Erster mit 59 km, und ich habe 56 km geschafft. Wenn man an einem Tag mit so schlechter Sonneneinstrahlung 56 oder 59 km fliegen kann, dann kann man auch den Rest schaffen. Das hat bei mir den Gedanken ausgelöst, dass man auch an schlechten Tagen im Wettbewerb erfolgreich sein kann. Für mich ist dieser Sport nicht nur für perfektes Wetter geeignet, sondern auch für schlechte Tage, wo man vielleicht nur 30 oder 40 km fliegen kann, aber das ist auch in der Gruppe messbar. Ich denke, wir sind nicht immer nur bei gutem Wetter unterwegs im Wettkampf, sondern manchmal auch bei schlechtem Wetter, an Tagen, an denen kein Freiflieger daran denkt, Strecken zu fliegen. Das macht den Reiz der Sache aus, an schlechten Tagen Strecken zu fliegen. Für mich sind solche Tage mehr Highlights als ein 200 km-Flug in Australien bei gutem Wetter. Also wenn ich an schlechten Tagen 30 km schaffe, habe ich eine richtige Freude in mir, das geschafft zu haben. So was finde ich ganz toll.

Sehr schön, danke.

Im letzten Jahr lief es wettbewerbsmäßig bei dir nicht ganz so gut. Ich erinnere mich, dass wir zusammensaßen und beide etwas frustriert waren, weil wir vor der Startzylinderöffnung abgesoffen sind. Da hast du mir gesagt, dass es in diesem Jahr irgendwie nicht läuft. Aber in diesem Jahr bist du sehr erfolgreich gewesen. Du warst Erster beim NRW-Cup, Erster beim Alpenrosen Cup und Erster bei der Pfalz Open, bei der Hessischen. Du hattest in diesem Jahr viele Erfolge. Was läuft anders als im letzten Jahr?

Letztes Jahr hatte ich, vom Kopf her, die meisten Flugstunden in meinem Leben, ich bin 560 Stunden geflogen, glaube ich, vielleicht etwas mehr, 564 Stunden. Ich war so viel in der Luft, und das Highlight für mich war einfach das Fliegen und die Freude in der Luft zu haben. Das Wettbewerbsfliegen war nicht so präsent in meinem Kopf, ich habe mich nicht so darauf konzentriert, mich mit anderen zu messen oder schneller zu sein. Ich hatte mehr den Fokus auf der Freude am Fliegen und den netten Begegnungen mit Vögeln und nette Momente mit Menschen. Einfach nur Fliegen. Der Gedanke, erfolgreich zu sein, war nicht so stark in meinem Kopf, weil ich bereits so viel gewonnen hatte, den Deutsche Meistertitel und andere Dinge. Du kannst nur gewinnen, wenn du dich auf den Wettbewerb einlässt und dich darauf fokussierst, vorne wegzufliegen und erfolgreich zu sein. In den letzten ein, zwei Jahren war dieser Gedanke nicht mehr so präsent. Außerdem habe ich vor dreieinhalb Jahren eine Fluglehrerausbildung begonnen, worauf mein Fokus lag. Ich habe da extrem viel gelernt, während dieser Fluglehrerausbildung und das habe ich auch an mich rangelassen und da wollte ich dann auch mein Wissen weitergeben, das war auch meine Motivation den Fluglehrer zu machen. Ich wollte durch Streckenfliegen eigentlich auch mein Wissen weitergeben an jüngere und ich wollte es aber mit einem Wissen weitergeben was nicht nur durch das Wettkampffliegen entsteht, sondern auch dieses Grundwissen, was dazu gehört. Ich wollte gut sein in meinem Weitergeben und Lehren von vielen technischen Sachen und deswegen habe ich mich darauf eingelassen den Fluglehrer zu machen.  Und ich muss auch Danke sagen an viele Menschen, die mich ausgebildet haben. Es war eine ganz tolle und wichtige Sache für mich. Ich habe mich auch selber vom Fliegen her ein bisschen reduzieren müssen, weil dann doch der Freizeitflieger ganz anders unterwegs ist als die Wettkampfpiloten. Ich musste mich wirklich grounden, aber das hat mir gut getan. Ich habe viel mehr Verständnis für den Normalpiloten und ich kann ihm auch, glaube ich, jetzt besser weiterhelfen, weil ich einfach auch diese Ängste und Sorgen mehr verstehen kann, die der gerade hat mit seiner jungen Ausbildung. Ich habe mein Wettkampffliegen vorübergehend hintangestellt und bin weniger geflogen und war dann auch weniger erfolgreich. In diesem Jahr konnte ich mich wieder stärker auf das Wettbewerbsfliegen konzentrieren und habe gute Ergebnisse erzielt. Ich habe wieder weniger Stunden in der Luft verbracht, habe mich wieder mehr konzentrieren können und wollte unbedingt auf unserem ersten Wettbewerb, im Sauerland, den NRW-Meistertitel holen. Da habe ich mich dann schon drauf konzentriert und genauso war es dann auch. Ich habe diese zehn Jahre, in denen ich noch nicht Wettbewerbe geflogen habe, viel Zeit in Westendorf verbracht. Also das war der Alpenrosen Cup dieses Jahr, als ich dann auch zu mir selber sagte „jetzt warst du hier in Westendorf so viele Jahre und hast hier eigentlich fliegen gelernt, jetzt konzentriere dich mal auf den Wettbewerb hier in Altenrosen Cup in Westendorf und versuch mal da vielleicht so gut wie möglich abzuschneiden“. Und dann habe ich den auch gewonnen dieses Jahr und habe dann dadurch auch gemerkt, wenn man sich im hohen Alter, so wie ich ja eigentlich schon bin, konzentrieren kann, kann man eigentlich auch noch in Sportarten gute Leistung bringen. Ich war dann auf der Pfalz oben und konnte dort ebenfalls gewinnen. Ich hatte dann auch so ein Highlight, einen Lauf, den ich mit einem Vorsprung von etwa 10 Minuten gewonnen hatte, und habe das dann einfach nur noch konserviert die nächsten zwei Läufe. In den nächsten beiden Läufen wollte ich keine Fehler mehr machen, und so habe ich den Titel auf der Pfalz oben gewonnen. Dann bin ich zur Hessischen Meisterschaft gefahren und habe beschlossen, nicht mit meinem Wettkampfschirm anzutreten, da das Niveau etwas niedriger war und es auch die Newcomer Challenge vor Ort gab. Stattdessen habe ich einen C-Schirm genommen und habe auch die Hessische Meisterschaft gewonnen, obwohl viele offene Schirme, also CCC-Schirme, teilgenommen haben. Das habe ich geschafft, weil ich mich mehr darauf konzentriert habe, gut abzuschneiden.Ich habe mich dieses Jahr vielleicht mehr auf das Wettkampffliegen konzentriert, und dadurch war ich wieder erfolgreich. Das war bei mir ein wenig verloren gegangen, diese Konzentration auf Wettbewerbe. 

Konzentration ist auch ein gutes Stichwort, denn mich hat ein anderer Pilot gefragt, wie man es schafft, über mehrere Stunden konzentriert zu sein, da wir bei Wettbewerben oft mehrere Stunden fliegen müssen. Ja, das würde mich jetzt interessieren, welchen Tipp du dazu hast. Wie gelingt es dir, während des Streckenfluges oder während des Wettbewerbsfluges über mehrere Stunden konzentriert zu sein und zu bleiben?

Erstens glaube ich, dass es dazu auch ein wenig Sport vorher gehört, vielleicht ein Ausdauersport. Ich glaube, wir können uns nur über einen längeren Zeitraum konzentrieren, wenn unser Körper in guter Verfassung ist. Dazu gehört vielleicht auch, vorher etwas Ausdauersport zu betreiben. Ich hatte immer eine gute Basis durch Squash, das mir bei längeren Spielen geholfen hat. Zweitens muss man das längere Fliegen auch erlernen. Man kann nicht einfach als Newcomer kommen und erwarten, fünf oder sechs Stunden am Stück konzentriert zu fliegen. Man muss das längere Fliegen trainieren und sich daran gewöhnen. Das sehe ich bei vielen Anfängern in Flugschulen oder Streckenflugseminaren. Nach anderthalb Stunden sind sie bereits müde, und spätestens nach zwei Stunden erreicht der ein oder andere einen Punkt, an dem er sich nicht mehr konzentrieren kann. Das längere Fliegen muss man also auch trainieren und sich daran gewöhnen, vielleicht durch Ausdauersport wie Radfahren oder Joggen, sowie durch längere Flüge. Ich glaube, das muss man alles trainieren, um über längere Zeiträume konzentriert zu bleiben.

Deine Ansicht dazu beruhigt mich, dass du da eine ähnliche Antwort gibst wie ich. Ich habe ebenfalls gesagt, dass es etwas ist, was man üben muss, und es ist ähnlich wie beim Autofahren. Wenn man anfängt, Auto zu fahren, ist man mit den vielen Eindrücken und der notwendigen Konzentration überfordert. Nach einer relativ kurzen Strecke kann man schon müde von der Konzentration sein. Aber mit der Zeit und viel Übung kann man auch längere Strecken fahren, ohne sich besonders anzustrengen. Ich denke, beim Fliegen ist es ähnlich, besonders für Anfänger, da sie mit vielen neuen Eindrücken konfrontiert werden und lernen müssen, aktiv zu fliegen und auszugleichen. In der Anfangsphase kann das sehr anstrengend sein, und deshalb muss man wirklich üben, lange Flüge zu absolvieren und diese Fähigkeit zu entwickeln.

Ja, das ist auch meine Einstellung dazu. Es ist vielleicht sinnvoll, mit anderen Sportarten zu beginnen und eine gute körperliche Grundfitness zu haben, bevor man das lange Fliegen übt und trainiert. Und natürlich sollte man immer auf seinen Trainingszustand achten.

Und du hast gesagt, dass du immer noch Ausdauersport betreibst?

Ja, ich versuche irgendwie, mich aufs Fahrrad zu setzen. Ich habe mittlerweile zwar ein E-Bike, aber auch das E-Bike hilft mir beim Ausdauersport. Früher bin ich oft mit meinem normalen Mountainbike drei oder vier Moselschleifen gefahren und dann wurde ich von der Muskelermüdung ein wenig müde. Nach etwa zwei Stunden dachte ich, dass es Zeit für eine Pause ist. Mit dem E-Bike kann ich jetzt längere Strecken fahren, obwohl es unterstützt wird. Ich fahre jetzt beispielsweise 10 Moselschleifen, genieße die Natur und habe dennoch einen Trainingseffekt, der mich weiterbringt und meine körperliche Konstitution aufrechterhält. Ich treibe zwar nicht mehr so viel Sport wie früher, da ich auch das Leben mit Freunden genieße und hin und wieder ein Glas Rotwein trinke, aber ich finde immer noch Zeit, Sport zu treiben.

Du hast erwähnt, dass du Fluglehrer bist und Streckenflugseminare gibst. Du gibst auch dein Wissen weiter. Gibt es Bereiche, in denen du selbst Unterstützung von außen suchst oder Ratschläge brauchst?

Ich glaube, wenn man an Wettbewerben teilnimmt, ist der Austausch mit anderen Piloten wirklich wichtig. Man kann aus den Fehlern anderer lernen. Ich lasse mich auch von den Fehlern, die andere Piloten machen, beeinflussen. Das muss nicht unbedingt ein Wettbewerbspilot sein. Selbst in meiner Rolle als Fluglehrer lasse ich mich von Fehlern inspirieren, die andere in verschiedenen Situationen machen, sei es beim Starten oder beim Fliegen in der Nähe vom Wald. Ich nehme viele dieser Erfahrungen auf und speichere sie ab, um aus den negativen Lernerfahrungen anderer zu lernen. Ich denke, man kann tatsächlich aus den Fehlern anderer lernen, man muss sie nur in seine eigenen Überlegungen einbeziehen. 

Man muss den Fehler nicht selber machen, man darf auch von anderen lernen.

Ja genau.

Hattest du schon mal ein negatives Erlebnis beim Fliegen, wodurch du Zweifel bekommen hast und dachtest „vielleicht lasse ich es lieber“? Gab es sowas bei dir?

Eigentlich in dem Maß nicht. Also, klar hat jeder vielleicht so ein paar Situationen in seinem Leben, welche sportlich sind, wo es vielleicht mal so viel Wind hat, dass man ohne Speed System rückwärts fliegt und man denkt, wo habe ich mich jetzt reingeritten. Bei mir überwiegt dann aber das klare Denken, gerade in stressigen Situationen fange ich an klar zu denken und dann versuche ich die Punkte abzuhaken, die ich machen kann, damit es sicherer wird. Wenn ich jetzt z.B in einer Situation bin, dass es in einem Wettbewerb extrem viel Wind gibt und wir müssen trotzdem die Aufgabe schaffen, dann versuche ich immer, mehr Höhe zu machen und dadurch vielleicht mehr Sicherheit reinzubringen. Aber tatsächlich habe ich dieses noch nicht gehabt, wo mir einer jetzt sagt, jetzt hör mal bitte auf mit dem Fliegen oder so. Also, dieser Sport ist einfach so schön. Ich weiß aber auch, dass man ihn so betreiben sollte, dass man einfach sein Wissen immer weiter irgendwo jetzt größer macht. Dass man einfach lernt, safe in der Luft unterwegs zu sein, durch mehr Wissen, durch viele Sachen, die ich eigentlich erlernen muss. Und da bin ich nach wie vor immer noch der Meinung, da kann ich immer noch irgendwo vom Wetter her einiges lernen. Gerade jetzt in diesem Jahr habe ich in Greifenburg jetzt auch erlebt, teilweise zwei, drei Gewitter an einem Tag. Und das über 14 Tage, wo ich dann sage, mein Gott, 15 oder 20 Gewitter innerhalb von einer Woche oder 14 Tagen. Da muss ich dann auch vielleicht auch als guter Pilot mich mal hinsetzen und die Wetterlage beobachten und wie schnell kann man auch sowas entstehen. Und wie kann ich jetzt überhaupt noch fliegen, sicher fliegen, wenn in dieser nächsten Stunde, wo die Entwicklung dann auch sehr schnell rasant voranschreiten kann. Also, die Gedanken muss ich mir machen. Und natürlich erkenne ich als Fluglehrer, aber nicht nur als Fluglehrer, auch Situationen, die ich dann auch mal nutzen kann für eine Stunde zwischendurch zwischen Fronten und sowas, die ich fliegen kann. Aber tatsächlich habe ich auch ein Erlebnis jetzt gehabt in Fellering bei der Pfalz Open, da war eigentlich sehr starker Wind gemeldet. Und wir haben an dem Tag den Wettkampftask abgesagt, weil viel Wind gemeldet war. Aber dann fing doch vormittags die Flugschule an zu schulen. Es war unheimlich wenig Wind und die Bedingungen sahen gut aus. Aber der Höhenwind war stark und die Flugschule arbeitete unten am Hang, also mit Aufziehversuchen und dann so ganz kleine Abgleiter, wo die Piloten ein, zwei Meter abhoben und dann noch auf dieser 300-Meter-Stufe, wo dann auch Piloten starteten. Und auf einmal kam unten eine extrem starke Böe, wie so ein Kaltluftausstoß von einer Wolke. Es waren aber keine Wolken zu sehen. In dem Augenblick haben wir wirklich unsere Markisen festgehalten. Die Luft war so stark, und es drückte so dermaßen Kaltluft irgendwo da rein, dass ein Pilot, der gerade just in dem Augenblick fertig war, rückwärts flog und in Turbulenzen war und dann auch in die Bäume abstürzte, weil er einklappte und eintwistete. Und dann hielt diese Wetterlage so 10-15 Minuten an, und danach war wieder ruhig für die nächsten sechs, sieben Stunden. Und da habe ich mich auch gefragt als Fluglehrer, hätte ich das irgendwie erkennen können und verhindern können? Und da muss ich einfach sagen, es geschehen mittlerweile durch vielleicht unsere Klimaerwärmung manchmal Situationen, die sehr schwierig sind, und dass immer zu erkennen ist echt eine neue Herausforderung, die ich jetzt mal an mich heranlassen werde, versuchen einfach auch vielleicht solche Situationen vorher zu sehen. Also, ist aber schwierig, glaube ich, sowas zu sehen im Vorfeld und dann vielleicht auch dadurch dann noch sicherer unterwegs zu sein. Ja, also ja, neue Herausforderung. 

Das ist ja auch die Herausforderung, also gerade von Anfängern, was viele Anfänger dann auch verunsichert, mit dem Wetter. Woher weiß ich, dass die Bedingungen noch gut für mich sind? Wie kann ich zu dieser Entscheidung treffen? Hast du da vielleicht auch einen Tipp, wie Anfänger, sage ich mal, mit diesem, ja, schwierigen Wetter, finde ich zumindest, wie Anfänger damit umgehen können, wenn sie so unsicher sind, ob sie den Bedingungen gewachsen sind oder nicht?

Erstmal würde ich als Einsteiger, was ich auch früher immer selber gemacht habe, immer die Locals und die guten Piloten am Ärmel zupfen und so viel von denen versuchen herauszuholen, was rauszuholen ist bei denen. Also, fragt einfach auch gute Piloten. Dann macht euch auf jeden Fall unabhängig schlau im Wetter, versucht das Wetter so schnell wie möglich selbst zu lesen und zu interpretieren, ist es noch sicher für mich? Es kann ja auch durchweg Bedingungen sein, wo gute Piloten noch fliegen, und wo ich als Anfänger mir eigentlich sagen muss, in dieser Luft habe ich nichts zu suchen. Ich sehe das ungefähr so wie beim Surfen. Es gibt Wind, drei bis vierer Wind, wo ich als Einsteiger unheimlich viel Spaß beim Surfen haben kann. Bei fünf bis sechs sollte ich aber schon nicht mehr auf dem Wasser sein, weil da eigentlich die Könner und Profis besser surfen sollten. Bei diesen Bedingungen. Und dann gibt's eben halt Bedingungen mit Windstärke 7 bis 9, wo auch der mittlere Surfer nichts mehr auf dem Wasser zu suchen hat. Da sind dann nur noch Profis auf dem Wasser und die kommen mit diesen Bedingungen noch ganz gut zurecht. Und so sehe ich das ähnlich beim Gleitschirmfliegen. Ein guter Pilot kommt dann doch vielleicht mit Situationen zurecht, in denen ein Anfänger nichts mehr in der Luft zu suchen hat, weil er vielleicht schneller runterkommt, wenn sich eine Wolke schnell entwickelt, und als Einsteiger komme ich gar nicht so schnell runter. Aber ich traue mich vielleicht nicht, die Spirale zu ziehen, ich traue mich vielleicht nicht, vielleicht in der Hanglandung zu machen. Und ein Könner, der spiralt runter und landet am Hang und läuft die 800 Höhenmeter runter, weil er genau weiß, im Tal ist vielleicht schon Kaltluft irgendwo, und ich lande lieber oben safe am Hang. Und für den ist alles in Ordnung. Ein Einsteiger-Pilot würde vielleicht unten im Talwind zurückwärts fliegend irgendwo in Bäumen hängen. Und da muss ich einfach auch sagen, da muss ich als Anfänger so schnell wie möglich versuchen, das Wetter zu verstehen. Und dafür ist aber dann auch wichtig, gehe ich vielleicht mal zu einem Thermik- oder Streckenflugseminar und lerne so viel wie möglich von dem, der es gerade hält, vom Fluglehrer oder von guten Piloten, die sich damit dann natürlich ihr Leben lang beschäftigt haben. Also ich beschäftige mich jetzt seit 34 Jahren mit dem Wetter und mit guten Flugphasen und schlechten Flugphasen. Bei schlechten Flugphasen stehe ich trotzdem mal am Hügel, am Berg und versuche zu beobachten, was passiert da jetzt gerade, wie schnell gleitet jetzt so eine Kaltfront mal auf, und durch. Das sind so Sachen, die kann ich verstehen. Und desto mehr ich mich darauf einlasse, desto mehr kann ich auch verstehen.

 Ja.

Und desto so sicherer wird es für mich dann irgendwann.

Wolken beobachten, das Wetter beobachten. Wie es lang kommt.

Ich hatte zum Beispiel vorgestern, am Samstag, noch eine Streckenfluggruppe in Greifenburg, und dann habe ich einen Piloten zum Weißensee gebracht. Dann sagte ich, „jetzt kehren wir aber um, weil sich gerade in Lienz eine Wolke entwickelte, die schon in Lienz Regen abregnet“. Dann sind wir zum Landeplatz geflogen, alles safe, und er kam direkt zu mir und sagte, „ich habe nichts vorher gesehen. Ich habe überhaupt nicht im Traum daran gedacht, dass sich da irgendwo eine Wolke entwickelt und es regnet. Erst als du mir Bescheid gesagt hast, habe ich sie dann gesehen und dann erst habe ich erkannt, okay, wir haben zwar noch genug Zeit, aber eigentlich habe ich das überhaupt nicht beobachtet“. Ich glaube einfach, der Einsteiger, der auf Strecke geht, der hat nicht die Ressourcen, um vielleicht immer zu erkennen, wann es eng wird und wann er zum Landen gehen muss. Deswegen sollte man vielleicht doch in den Anfängen vielleicht eine Flugschule unterwerfen und versuchen, so viel wie möglich noch aufzuschnappen. Denn zu Anfang habe ich noch mal erst so mein Bereich, so 100 Meter um mich herum, die ich nicht beobachten kann. Aber irgendwann sehe ich dann vielleicht auch mal 10 oder 20 Kilometer weiter und sehe schon, vielleicht wollen sich da Wolken entwickeln oder zusammenfallen und so. Das kann ich sehen, aber ganz klar, ein Einsteiger hat nicht diese Ressourcen frei, weil er sich mit seiner Flugtechnik, mit dem Schirm beschäftigen muss, mit seiner Sitzposition im Gurtzeug und so viele andere Dinge, die bei guten Piloten natürlich ganz automatisch gehen. Ich muss mich auf das Thermikfliegen nicht mehr konzentrieren. Ja, ich muss mich dann einfach durch die freien Ressourcen auf das Flugwetter irgendwie einlassen oder auch Vögel sehen, die mir Thermik anzeigen. Oder ich sehe so viele Dinge, die ich in meiner früheren Laufbahn ganz am Anfang gar nicht sehen konnte, weil ich gar nicht die Ressourcen frei hatte.

Diese Kapazitäten im Gehirn frei hatte, um das irgendwie zu beobachten. 

Genau, ja, genau. 

Gibt es etwas, was du, ich sage mal, aus dem Flugsport gelernt hast, was dich auch in anderen Lebensbereichen weiterbringt oder hilfreich ist?

Ja, Geduld zu haben. Ja, also es gibt Menschen, die haben Geduld, mit anderen Menschen zu arbeiten, aber nur Ungeduld für sich selbst. Und die hatte ich immer. Das ging ja alles nicht schnell genug, und einfach auch Lernerfolge, die gingen niemals schnell genug. Und ich habe mit der Zeit lernen müssen, dass man Geduld haben muss in vielen Bereichen, einfach sich fliegerisch weiterzuentwickeln oder auch beim Wettbewerbsfliegen, wenn man da mal wirklich Höhe braucht für die Teilquerung und man kriegt sie gerade nicht. Und dann die nächste Thermik abwarten muss und in so einem Nullschieber erstmal gemütlich aufsoaren muss und dann erst weiterkommt. Da musste man einfach Geduld haben, um diese Erfolge oder dieses Weitergehen dann durchzuführen. Und diese Geduld, die hat bei mir viele Jahrzehnte gedauert. Vielleicht bin ich jetzt geduldiger als vor 30 oder 40 Jahren. Vielleicht bin ich aber in zehn Jahren noch geduldiger und ausgeglichener.

Geduld ist glaube ich ein großes Thema, an dem viele arbeiten müssen. Ich auch immer wieder, „langsam“, geduldiger sein.

Ja genau.

Ja, sehr schön. Du hast jetzt schon ganz viel dazu gesagt, wie die Anfänger an das Fliegen herangehen sollten. Hast du vielleicht auch abschießend noch einen Tipp für Anfänger, die jetzt grade mit dem Streckenfliegen oder auch Wettbewerbsfliegen anfangen, was die machen sollten, um sicher und mit Spaß an die Sache ranzugehen?

Ja, also ich sehe auch in meinem Umfeld Leute, die schon 20, 25, 30 Jahre fliegen. Die werden immer unsichere bei Start und Landung. Meiner Meinung nach sollte man als Einsteiger und auch als langjähriger Pilot diese Groundhandling, was einem ja viel Sicherheit für den Start gibt. Diese Groundhandling kommt bei vielen Menschen zu kurz. Obwohl ich mir aber auch schon Eindrücke vom Schirm, den ich gerade fliege, wenn ich damit am Boden umgehe, machen kann. Ich kann so viele Sachen schon beim Groundhandling über meinen Schirm lernen, die ich dann wiederfinde beim Fliegen. Ein gutmütiger Schirm klappt kaum ein, dann sehe ich das schon beim Groundhandling, wenn der Schirm ein bisschen giftiger ist und früh einklappt, dann sehe ich das beim Groundhandling auch schon. Wenn der Schirm dann auf halb acht oder so geht, dann sehe ich das auch schon beim Groundhandling. Was wichtig ist, durch Groundhandling würde ich mir einfach die Sicherheit holen, um auch bei etwas windigeren Tagen sicher in die Luft zu kommen. Dann habe ich gleich schon die ersten 10 oder 15 Minuten von dem Flug viel ruhiger angegangen. Das Herz klopft nicht so, weil ich einfach einen guten Start hingelegt habe. Dann ist der Flug, der Einstieg in die erste Thermik, ruhiger und ausgeglichener. Wenn ich mir schon Gedanken machen muss, ob ich überhaupt in die Luft komme, weil ich meinen Schirm nicht unter Kontrolle habe, dann ist der ganze Flug auch bescheiden. Deswegen ist für mich wichtig, das Groundhandling zu beherrschen, dass ich den Schirm in allen Lagen kontrolliert ablegen kann, kontrolliert aufziehen kann und einfach mehr Kontrolle drin habe. Das kann auch bei Piloten, die schon 20, 30 Jahre fliegen, vernachlässigt werden. Also, sie sollten mal wieder zum Gleithandling gehen und einfach mit ihrem Schirm mal spielen. Das ist einfach deutlich besser, und die Ausgeglichenheit kommt in die Luft.

Ja, das ist ein sehr guter Tipp. Wenn man selbstbewusst an den Start geht, dann ist das schon wesentlich besser, als wenn man mit zittrigen Knien am Start steht. 

Viele zögern ihren eigenen Start immer wieder hinaus oder verbringen ein, zwei, drei Stunden am Startplatz und gucken sich andere an, weil sie eigentlich denken, „oh mist, es ist nicht ideal und ich habe da Schwächen“, und kommen eigentlich nicht los. Sie haben da Selbstzweifel und denken, dass sie Schwächen haben. Andere Piloten, die wirklich gut mit ihrem Schirm umgehen können, kommen schnell in die Luft und haben viel Spaß in diesen 1, 2, 3 Stunden, während der andere auf bessere Bedingungen wartet. Wenn er einfach mehr Groundandling machen würde, dann wäre er schon längst in der Luft und wäre auch sicherer unterwegs. Vielleicht die ersten Male unter Anleitung, dass ich einfach auch lernen wie kann mit dem Schirm umzugehen, dass ich da Sicherheit bekommen und hinterher dann kann ich wirklich alleine trainieren.

Ja, vielen Dank für diesen Tipp und für das Interview. Ich wünsche dir jetzt ganz ganz viel Spaß in Bassano, gute Flüge und ich hoffe wir sehen uns ja dann in Greifenburg wieder, oder bei der Deutschen Meisterschaft.

Ja genau, German Open Greifenburg in zehn Tagen.

Ja, sehr bald. Hoffen wir, dass das Wetter gut ist, und dann sehen wir uns da wieder. 

Sehr gerne, ich freue mich drauf.

Ich mich auch, danke dir. Ciao.

Bis dahin, Yvonne. Ciao. 

 


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Letzte Änderung am Samstag, 30 September 2023 14:48
Yvonne Dathe

Psychologin (M.Sc.) • Dipl. Betriebswirtin • Gleitschirm-Fluglehrerin

Seit 1994 fliegt Yvonne leidenschaftlich mit dem Gleitschirm. Sie schreibt über das Fliegen, das ACTive Leben und bietet psychologische Beratung an: Mentales Training • Stressige Situationen und Krisen meistern. Ihr Motto ist "Mit Lebensfreude Grenzen überfliegen!"

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