Chrigel Maurer ist 7-facher Gewinner der Red-Bull X-Alps. Er dominiert seit seiner ersten Teilnahme 2009 die Hike & Fly Sezene. Was ihn motiviert weiterzumachen, das erfährst du in diesem spannenden Interview.
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Hier das Transkript des Interviews mit Chrigel Maurer:
Du bist über deinen Vater zum Gleitschirmfliegen gekommen. Wie ist das damals genau abgelaufen?
Ja, das ist schon eine Zeit her, aber es war 1986 als der Gleitschirmsport über Amerika und Frankreich in die Schweiz kam und es somit auch viele Bergsteiger, wie auch mein Vater, ausprobiert haben. Damals war ich 4 Jahre alt und fand es sehr spannend, das Ganze mitzuverfolgen, genauso wie mich schon immer Vögel inspiriert haben und das Gefühl von Freiheit, welches diese beim Fliegen ausstrahlen. Somit war bei mir immer schon der Wunsch vorhanden, ebenfalls mal zu fliegen.
Wann hast du schließlich deinen Flugschein gemacht?
Ja genau, damals durfte man den Schein eigentlich erst mit 16 machen. Ich durfte aber auch schon ein wenig eher in die Flugschule, was toll für mich war und somit hatte ich schon mit 7 die Chance, einen Tandemflug zu machen.
Auf deinem X-Alps Profil beschreibst du, dass es für dich wichtig ist das, Fliegen mit Kopf, Herz und Hand zu verstehen, zu verinnerlichen, zu wiederholen und weiterzugeben. Das klingt für mich nach einer Art Flow-Zustand, was genau meinst du letztendlich damit?
Das ist ein super Thema. Ich empfinde es so, dass wenn ich einen Wettkampf mache oder generell Hike & Fly, mich vollkommen auf das konzentrieren kann, was ich am liebsten mache und alles andere liegen lasse. Das heißt, ich habe alle meine Ressourcen und Gedanken bei dem, was ich gerade mache. Ich denke, das ist etwas, was mir gegeben ist und was ich nie aktiv üben musste, dieses komplett im Moment sein zu können und mich einfach darauf zu freuen. Vielleicht ermöglicht mir auch genau das, mehr daraus zu machen, da es nichts gibt, was mich in so einem Moment stört oder ablenkt. Schlussendlich kann ich in diesem Art Flow-Zustand bei schwierigen Situationen wie bei den X-Alps oder schlechten Wetterbedingungen instinktiv bessere Entscheidungen treffen, ohne mir großartig Gedanken darüber machen zu müssen und kann meinem Gefühl dabei vertrauen.
Also musst du dich nicht speziell fokussieren?
Ich habe schon ein paar Leitplanken wie mein Team, welches mir Ideen gibt, eine Wetterprognose und eine vorgegebene Route, die ich in etwa einhalten will, allerdings kann ich mich in diesem Rahmen schon noch relativ weit selbst verwirklichen und intuitiv entscheiden. Wichtig ist nur die Zuversicht in seine Entscheidungen zu haben, dass es funktioniert und sich sogar darauf zu freuen zu sehen, ob etwas am Ende funktioniert oder nicht.
Du hast dir vorgenommen bis zu den X-Alps mit deinen motivierenden Zielen „aktuell“ zu sein. Wie meinst du damit?
Ich finde sowas sehr wichtig. Wenn man beispielsweise 1 Jahr kein Fahrrad mehr fährt und dann wieder damit beginnt, kann man es immer noch wie aus einer Art Reflex heraus. Dasselbe gilt auch für das Gleitschirmfliegen. Man verlernt das Fliegen nicht, aber das Gefühl zu spüren, was man will, verliert man schon, wenn man wie aktuell ohne die passende Thermik nicht viel fliegen kann. Also muss ich mir im Frühling mit Zielen oder kleineren Trainings-Challenges wieder das nötige Gefühl zurückholen, um für die größeren Ziele wie die X-Alps gewappnet zu sein.
Zieht es dich dann im Winter in den Süden auf Grund der besseren Bedingungen oder bleibst du in der Schweiz?
Ich bleibe hier. Und zwar, weil ich das Timing für entscheidend halte. Um sich auf das Fliegen vorzubereiten, sollte man meiner Meinung nach nicht zu früh zu viel machen, sondern lieber 2 Monate vor dem anstehenden Wettkampf anfangen, sich mit viel Trainingsumfang optimal vorzubereiten und zu motivieren.
Und was machst du, wenn dir die Wetterbedingungen auch kurz vor deiner Wettkampfvorbereitung einen Strich durch die Rechnung machen?
Das ist mir 2021 so passiert, als auch noch durch COVID so gut wie keine Wettkämpfe waren, abgesehen von zweien, die ich nicht gewinnen konnte. Zu der Zeit war ich schon relativ unsicher und auch nicht bereit für die X-Alps. Erst als ich dann bei den darauffolgenden Wettkämpfen mithalten konnte, habe ich wieder gespürt, dass die Zeichen gut stehen. Aber insgesamt war ich nicht gut vorbereitet, dass auch der Frühling so schlecht war und ich wenig Trainingsstunden machen konnte und habe mich auch dementsprechend nicht so wohl gefühlt. Dieses Jahr dagegen konnte ich mich gut vorbereiten. Es ist richtig, dass das Wetter schon eine Rolle spielt. Auf der anderen Seite kann man trotzdem immer steuern, was man aus der jeweiligen Situation macht oder ob man noch spontan irgendwo hinfährt, wo die Bedingungen besser sind.
Laut deiner Angaben bei der X-Alps hat ein körperlicher Trainingstag bei dir 800 Höhenmeter, 10 Kilometer und dauert 2 Stunden. Wie viele solcher Tage machst du in der Woche?
Aktuell etwa 4, wobei ich jetzt noch mehr Zeit im Fitnesscenter für den Muskelaufbau verbringe, dann kommen noch die Skitouren dazu. Ich denke, dass dies in der effizienten Zeit von Februar bis Mai eher das Minimum an Trainingstagen ist und ich in der Vorbereitung durchaus auch mal 10 Stunden und 4 000 Höhenmeter an einem Trainingstag bewältige. Mir ist bewusst, dass längere Erholung für den Körper manchmal auch wichtig ist, aber meistens habe ich einfach Lust noch mehr zu machen und bin übermotiviert, solange der Körper es mitmacht und nichts zwickt oder schmerzt.
Wie sorgst du dann für ausreichend körperliche und mentale Regeneration? Das ist also etwas, was dir schwerfällt?
Ja, das fällt mir sehr schwer. Ich weiß, dass ich bei der körperlichen Regeneration noch viel mehr rausholen könnte, wie beispielsweise durch Massagen, Saunagänge oder Schwimmen, allerdings habe ich dort immer das Gefühl, dass es Zeitverschwendung sei, da ich in solchen Momenten nichts erlebe und einfach nur da liege. Wenn ich draußen unterwegs bin, mit Freunden spazieren gehe oder fliege, fühlt sich das einfach viel sinnvoller für mich an und nach dem, was mir Spaß bringt.
Was für eine Rolle spielt die mentale Vorbereitung für dich?
Eine sehr große Rolle, auch wenn ich kein Mentaltraining im klassischen Sinne mache. Sobald ich eine Route mit meinem Team besprochen habe, gehe ich diese ständig nochmal in meinem Kopf durch und stelle mir vor, wie ich diese angehe, das Wetter ideal sein wird und ich Rückenwind haben werde. So sieht meine mentale Vorbereitung dann täglich und nächtlich aus, dass ich mir ständig von den Dingen „träume“.
Das klingt für mich nach Visualisierung.
Ja, man könnte sagen, ich bin ein guter Visualisierer.
Du scheinst bei Hike & Fly Wettbewerben unschlagbar zu sein, ganz zu schweigen von den X-Alps, die du bisher immer gewonnen hast. Du hast dieses Jahr auch noch die X-Pyr, die Dolomiti Superfly und die Hike & Fly Schweizermeisterschaften gewonnen. Wie motivierst du dich noch nach all diesen Erfolgen?
Es ist die Faszination an dem Erlebnis als solches. Der Wettkampf schafft einen Rahmen, der mir sehr viel gibt und auch wenn die Aufgabe sehr klar ist, lässt er noch viel Spielraum dafür offen sich selbst zu verwirklichen. Auch wenn die Aufgabe immer eine ähnliche bleibt, ist kein Wettbewerb gleich, da die genauen Bedingungen von Rennen zu Rennen anders sind und mich dieses Schach spielen draußen in der Welt immer wieder von neuem fasziniert. Dazu kommt noch, dass man ein gemeinsames Erlebnis mit seinem Team erschafft, über das man sich später zusammen freuen und darüber philosophieren kann und einen noch größeren Mehrwert hat, als wäre man allein unterwegs.
Du und Thomas wollt eure Abläufe noch weiter verbessern. Gibt es da überhaupt noch Verbesserungspotential?
Wir beiden haben eben unsere ganz bestimmte Vorstellung davon, was perfekt ist und versuchen immer das Optimum herauszuholen. Wir haben immer Abweichungen, wenn wir die Abläufe von einem Rennen analysieren und versuchen, mögliche Fehler soweit es geht zu reduzieren. Für uns ist dabei entscheidend, dass wir vermeidbare und überflüssige Fehler reduzieren, gewisse Prognosen zum Wetter beispielsweise können immer mal falsch und unvorhergesehen sein.
Worauf achtest du bei deiner Ernährungsweise und wie sieht diese an einem Wettkampf aus?
Die Ernährung hat schon eine wichtige Rolle, allerdings habe ich das Glück, dass ich einen guten Magen ohne irgendwelche Intoleranzen habe, es also nicht allzu genau darauf ankommt, was ich esse. Beim Hike & Fly ist man eigentlich insgesamt relativ langsam unterwegs, das heißt der Magen ist nicht überfordert und kann alles gut verdauen. Wohingegen ich bei den Skitouren oder Bergläufen vermehrt darauf achte, nicht zu viele Ballaststoffe zu mir zu nehmen. Am wichtigsten ist, dass ich an einem Wettkampftag meinen Kalorienbedarf decke und in kein Defizit gerate, um die nötige Energie zu haben und auch bei Kopfentscheidungen nicht langsamer werde. Mein Team versorgt mich glücklicherweise immer sehr gut mit dem Essen, was auch gegebenenfalls Mal mit flüssigem Kohlenhydratpulver, Proteinen oder Vitamintabletten ergänzt werden kann.
Deine beiden letzten Hike & Fly Bewerbe (X-Pyr und Dolomiti Superfly) waren bis zum Schluss hart umkämpft, welche kleinen Stellschrauben waren am Ende entscheidend für den Sieg?
Beide Wettkämpfe waren wirklich sehr knapp. Von Stellschrauben kann man nicht mehr sprechen, von daher könnte man schon mehr von Glück als von Stellschrauben sprechen. Entscheidend war aber, dass ich bis zum Schluss daran geglaubt, gehofft habe, dass es reicht. Gerade in den Pyrenäen war ich kurz vorm Schluss (60 km vor Ende) gezwungen zu landen, weil die Inversion da war. Maxime kam höher an und war weg. Das ist für mich nichts Neues, das passiert immer wieder, beim Worldcup, der WM oder EM. Ich habe immer mal wieder die gute Linie oder die schlechte Linie gehabt, ich kenn das. Aber, dass es nach sechs Tagen nochmals so knapp wurde, war für mich nicht so fair. Dann kam aber der Gedanke „es geht immerhin noch 60 km und Maxime muss das erst mal schaffen und die Seebrise kommt auch noch. Je später ich dran bin, desto weniger Seebrise.“ Somit hatte ich mir wieder Hoffnung gemacht und realistische Chancen ausgerechnet, was am Ende zum Erfolg geführt hat.
Beim Dolomiti Superfly war es eine Hau-Ruck-Aktion. Denn Aaron flog eine Linie, die für mich klar langsamer wegen dem Talwind am Ende war. Und diese Talwinde sind ausgeblieben. Somit kam Aaron viel weiter, als ich dachte. Aaron hat auch zugegeben, dass er dort nicht fliegen wollte. Es hatte ihn an der Grete vorher ins Lee geblasen, an der ich mir sagte „du musst hier im Luv bleiben“. Er flog dann offensiv zum Berg und erwischte zu wenig Thermik, sodass er ins Lee gewechselt ist. Er kam dann nicht mehr zurück, so dass er die Route nehmen musste und es war für ihn Glück zweiter anstatt fünfter zu sein, weil die Route, die wir genommen hatten, war die zuverlässigere und kalkulierbarere Route. Aber klar, am Schluss die sechs Minuten, waren dann Glück.
Glück gehört aber auf jeden Fall auch dazu.
Ja, sicher. Ich denke das Glück ist im Endeffekt das Resultat von viel Zuversicht. Wenn man über Jahre mit viel Zuversicht etwas macht, dann bekommst du ein Feeling was geht noch und was geht nicht mehr. Man kann nicht wahllos etwas machen und dann am Boden stehen und sagen „jetzt hatte ich kein Glück“. Man muss schon eine gewisse Erfolgschance sehen. Je häufiger man dieses ausprobiert hat, was noch möglich ist und was nicht, desto besser hast du das Gefühl dafür und hast dann auch Glück.
Gibt es auch für einen erfahrenen Piloten wie dich noch Situationen in der Luft, die bei dir für Respekt oder gar Angst sorgen und wenn ja, wie gehst du damit um?
Ja, ein gutes Beispiel war in den X-Pyr. Bei den X-Pyr war viel Wind im Spiel. Ich war den ganzen Tag marschiert, keine Minute geflogen, weil es für mich grenzwertig war. Der große Rest ist auch marschiert, aber trotzdem haben sie auch Flüge machen können. Maxime konnte aufholen weil er auch geflogen ist. Da dachte ich „oh schitt, wärst du doch auch lieber geflogen!“. Das ist halt die Reaktion, aber im Moment war es für mich einfach nicht passend. Der Wind war zu stark und zu böig. Das darf ich dann auch akzeptieren und das hält mich auch „aktuell“.
Ein anders Beispiel waren beim Dolomiti Superfly, als wir im Pustertal bei Sterzing bei Nordföhn geflogen sind. Aaron ging landen, weil er dachte es hat zu viel Wind. Mit Simon Oberrauner, Thomas Friedrich sind wir dann geflogen, hatten mehr Höhe machen können, sodass wir über dem Wind waren. Doch die Bedingungen waren grenzwertig. Ich kann mich erinnern, dass ich im Vollgas kaum noch vorwärts kam. Simon hat es ins Lee geblasen. In solchen Momenten habe ich enormen Respekt, denn ich weiß, dass ich mich auf ganz ganz dünnem Eis bewege, ich muss mich ganz ganz vorsichtig bewegen, denn ansonsten wird es fatal. Allerdings nützt es dann nichts mehr sich darüber zu ärgern, dort hineingeraten zu sein, du musst dir dann überlegen, wie kommst du da raus. Du weißt auch „einfach Landen gehen“ ist keine Lösung. Wenn du mitten auf dem Eis bist und das Eis bricht um dich herum, kannst du auch nicht einfach ans Ufer. Du musst den Flug dann fertig schaukeln. Die Lösung an diesem Tag war, einfach ruhig zu bleiben, hoch aufdrehen und weiterfliegen. Doch wir waren uns im Ziel einig, dass die Situation am Limit war, sie war noch ok, aber am Limit und wir wissen nicht genau, wie es gewesen wäre, wenn wir über dem Limit gewesen wären. Durch das Schritt für Schritt vorangehen und sehen „ah, der andere fliegt noch, also fliege ich auch“, plötzlich wird es zu extrem und ist über dem Limit. Das frühe Erkennen und Handeln, dass man Safe am Boden steht, ist ein Schritt / eine zusätzliche Hürde. Die größte Challenge ist auch mal Nein sagen zu können. Das ist für die Zukunft bei den X-Alps, wenn die Müdigkeit noch dazu kommt, unsere größte Sorge.
Die größte Herausforderung ist für mich auch, zu erkennen, wann passt es für mich nicht mehr, obwohl andere noch fliegen, was ja auch tagesformabhängig ist, so wie bei dir in den X-Pyr. Du bliebst am Boden, während Maxime noch flog. Hast du für dich Kriterien festgelegt, die dir helfen hier eine gute Entscheidung zu treffen?
Das ist super schwierig. Ich habe für mich einen Chrigel-Maurer-Reminder gemacht. Die Idee ist, dass ich für mir meine Themen notiere und die wesentlichen Punkte schreibe ich mir auf die Handschuhe. Ein wesentlicher Punkt ist dabei mein Gefühl und was empfinde ich JETZT. - Habe ich Lust oder nicht? Im Stress, mit Ablenkung funktioniert, das Denken als letztes. Man kann nicht mehr gut denken, bekommt keine guten Infos, alles muss sehr schnell gehen. Wenn ich das auf meinem Handschuh lese, dann spüre ich in mich hinein und wenn ich sehe ich habe noch Lust, dann mache ich weiter. Aber wenn ich bedenken habe, dann muss ich es einfach sein lassen und akzeptieren.
Akzeptieren, das war gut das ich am Boden stehe, fällt vielen Piloten schwer.
Das ist dann der nächste Schritt, dass ich mich nicht ärgere, sondern das war mein Gefühl und ich habe die Entscheidung getroffen, das muss ich akzeptieren und kann es nicht ändern. Ich denke, dann zu sagen, das war ein Fehler, ist einfach. Beim nächsten Mal mache ich den Fehler nicht noch mal. Wenn ich aber spüre das ist nicht gut und dann weiter mache dann ist es ein Fehler. Lieber mache ich einen Fehler, bei dem nichts passiert, als einen Fehler machen, bei dem was passiert ist.
Gibt es Dinge, die du durch den Flugsport gelernt hast und hilfreich auf andere Lebensbereiche übertragen konntest?
Ich denke ein Flug ist ein gutes Beispiel dafür, dass man etwas startet und auch zu Ende bringt, da man automatisch und zwangsweise irgendwann landen muss. Du hast keinen Motor. Und wenn ich mir im Leben überlege was mache ich, was mache ich nicht, dann überlege ich mir auch schon wie mache ich es und was ist der Plan B? Wie ist es wenn es fertig ist? Das dran bleiben und fokussiert bleiben bis zur Landung is ein guter Lebensgrundsatz.
Aber auch generell, den Moment genießen und daraus das beste machen, auch wenn ich denke „das braucht es jetzt nicht“. Fliegen ist für mich ein Gegenpol zum Alltag. Ich freu mich darauf, es ist schön mal Wieder zu fliegen oder bin auf einem Wettbewerb, an dem ich nichts anderes als Fliegen mache. Dann ist das Fliegen die Erholung für den Alltag.
Was war für dich selbst dein wichtigster Erfolg?
Ich denke aus philosophischer Sicht habe ich mein Hobby - das Fliegen - zum Beruf machen können in einem Bereich, indem ich für meine Familie genug Geld verdienen kann und das alles jetzt auch schon seit einigen Jahren. Auf der anderen Seite auch, dass ich mich immer pushen, immer am Limit, aber immer mit genügend Reserve. Nur einmal in 25 Jahren habe ich mir das Bein gebrochen. Und da nicht einmal mit Risiko, sondern das war einfach bei einem Tandemflug mit einer blöden Landu. Ich kann einfach etwas sehr Extremes machen und das ist OK, darauf bin ich im Moment stolz.
Würdest du den Wettkampfsport weiterhin verfolgen, auch wenn deine Erfolge weniger werden würden?
Das ist sehr schwierig zu sagen, da ich das Wettbewerbsfliegen ja angefangen habe, um besser zu werden. Ich wusste, ich komme mit Top-Piloten zusammen und ich habe eine Aufgabe und überlege mir eine Lösung für diese Aufgabe. Ich habe den Vergleich mit den anderen, wo stehe ich. Der Lernprozess im Wettbewerb ist sehr gut. Bei mir lief es von Anfang an gut. Der Wettbewerb gibt diesen Fokus und den Lerneffekt. Ich weiß nicht, ob ich so gut davon Leben könnte ohne diese Erfolge. Die Vorträge, Coachings und Sponsoren sind ja unmittelbar mit den Erfolgen verbunden. Ich denke hier habe ich das Privileg, aber generell die Lust am Fliegen und die Motivation besser zu werden, hätte ich auch ohne die Resultate.
Was bekommen die Piloten von dir mit, die deine Hike & Fly Academy besuchen?
Eine grundlegende Idee der X-Alps-Academy ist, die Fehler, die ich in jungen Jahren gemacht habe, nicht mehr zu machen. Schlussendlich geht es darum, gemeinsam in einer kleinen, ausgewählten und motivierten Gruppe Sport zu erleben und voneinander zu profitieren. ich habe das mal lanciert und mit Trainings über das Jahr gefördert. Doch die Idee ist, dass die Athleten von einander lernen. Manche Athleten sind sehr offen und teilen alles. Andere sind sehr verschlossen und geben nichts weiter. Das ist ein Gegensatz zu dem was wir machen. Mein Ansatz ist zu überlegen, wie kann die Jugend gefördert werden, dann verstehe ich selber noch besser, wie das funktioniert. Ich habe das Fliegen gelernt und wollte weiterkommen. Dann merkte ich, ich bin ja schon einer der besten. Wenn ich anderen etwas erkläre, dann bringt das auch mich weiter.
Du bist ein Intuitiver Mensch, durch das Erklären, machst du dir deine unbewussten Prozesse bewusst.
Ja, aber am Ende ist es auch eine Motivationsfrage. Alleine ist es schön, aber in der Gruppe macht es mehr Spaß - es ist lustiger.
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Gibt es auch Momente oder Bereiche, in denen du dir trotz all deiner Erfahrung selbst noch Ratschläge oder Unterstützung suchst?
Es gibt immer wieder Themen. Der Austausch ist immer super. Auch mal Dinge anhören, die man schon kennt - gibt einem einen neue Perspektive. Im Bereich der Technik, Navigation oder neuen Apps, bin ich nicht überall der Fachmann. Es ist spannend zu hören, was es gibt und auswählen was ist für mich hilfreich oder nicht. Aktuell ist ja die Frage was ist das nächste Level beim Hike & Fly. Bei den Schuhen gibt es Schuhe Carboneinlagen, die beim Marathon einen gewaltigen Schritt nach vorne gebracht haben. Hier stellt sich die Frage, ob solche Schuhe auch im Hike & Fly Bereich einen Vorteil bringen. So tausche ich mich mit Fachleuten aus, diskutiere und am Ende muss man seine individuellen Entscheidungen treffen.
Bist du bei der Entwicklung des neuen Hike & Fly Gleitschirms mit dabei?
Ab und zu fliege ich mit den Jungs von Advance mit und kann auch mal mitdiskutieren, aber letztendlich bauen sie den neuen Omega und ich hoffe einfach, dass er gut wird. Generell geht um einen Kompromiss, ob man etwas mehr Material verbauen und somit mehr Leistung schaffen will oder den Schirm insgesamt leichter zu halten. Der Markt zeigt aber, das die Entwicklung über spitzer wird. Die Schirme zeigen was aktuell möglich ist.
Was war das größte innere Loch, aus dem du dich in deiner Karriere heraus kämpfen musstest und wie hast du dies bewältigt?
Nachdenklich werden lassen hat mich definitiv die Zeit, in der ich mir den Fuß gebrochen hatte, kamen Zweifel auf und macht das überhaupt Sinn?
Nach den ersten X-Alps war ein mentales Loch. Schlussendlich gab es immer das näcshte. Die Familie gibt eine gute Struktur und auch die Termine.
Ein Fehler war sicherlich, dass ich nach den X-Alps nichts geplant hatte. Jetzt habe ich sofort nach dem Bewerb wieder Termine.
Nach dem Unfall habe ich mir das so wie eine Waage überlegt. Was habe ich jetzt verloren und was bringt mir das Fliegen, was ist das tolle an dem Sport. Ich muss sagen, dass die Vorteile deutlich überwiegen. Ich mache mir diese Vorteile immer wieder bewusst, um aus dem Loch wieder rauszukommen.
Zugegeben wir tendieren schon dazu, eher die Probleme wahrzunehmen, da hilft es ungemein, wenn man jemanden hat, der einfach mal eine gute Frage stellen kann. Mit Thomas Theurillat habe ich da einen super Partner. Er hat das ja auch 5 Jahre studiert. Es hilft zu wissen, da ist einer der eine Frage stellen könnte.
Gibt es auch andere Sportarten, von denen du bloß aus der Zuschauerperspektive Fan bist und gibt es vielleicht sogar Sportler, zu denen du aufblickst?
Auch wenn ich kein großer Tennisfan bin, kommt man kaum drumherum da jemanden so konstanten wie Roger Federer zu nennen. Ansonsten interessieren mich mehr die Ausdauersportarten wie Langlaufen, Radfahren oder die technischen Aspekte des Mountainbikens, weil diese Leute ebenfalls so sehr ans Limit gehen. Wenn ich draußen im Wettkampf bin und es langsam hart wird, denke ich immer daran, dass diese Jungs sich jedes Wochenende so pushen und ich eigentlich nichts zu jammern habe. Einen Luki Hofer habe ich beispielsweise schon häufig für seine Energie bewundert, die er bei seinen Rennen, die ich im Fernsehen verfolgt habe, aufgebracht hat. Umso mehr empfinde ich es als Bereicherung, dass jemand wie er jetzt ebenfalls bei den X-Alps an den Start geht.
Was ist das Erste, was du nach einer absolvierten X-Alps machst, wenn du wieder Zuhause bist und Zeit für dich hast?
Das kommt ganz drauf an, wie fit ich noch bin. Aber vom Fliegen habe ich dann erstmal ein paar Tage genug, selbst bei noch so gutem Wetter. Zunächst schaue ich erstmal nach E-Mails und Dingen, die erledigt werden müssen und ansonsten freue ich mich dann darüber, die Fotos vom Wettkampf durchzugehen oder das Gleitschirm-und Drachenforum zu lesen. Ich lese mir dann die ganzen Posts durch, um dort einen besseren Eindruck über den Verlauf des Wettbewerbs zu bekommen und Dinge einordnen zu können. Die weiteren Tage verbringe ich dann gerne Zeit mit meinen Jungs beim Wandern und ich schaue welche beruflichen Termine als nächstes anstehen.
Hast du einen Tipp für einen Anfänger, dessen Traum es ist irgendwann einmal bei den X-Alps zu starten?
Das ist eine gute Frage, wenn wir uns über Nachwuchsförderung sprechen. Wenn ich auf meine Laufbahn zurückblicke, war es erstmal sehr wichtig, mich mit dem Schirm auseinanderzusetzen ohne fliegen zu dürfen. Groundhandling ist das was bei den X-Alps darüber entscheidet, wie gut ich mich beim Starten und Landen auf engen Raum fühle. Das klingt vielleicht etwas weit weg, hilft aber extrem. Wenn ich dann fliegen darf, sind natürlich Stunden wichtig, aber auch das effizient fliegen. Im Wettbewerb (z.B. Swiss-Cup, World Cup) lernst du das schnelle und effiziente fliegen. Das ist auch relevant beim alleine fliegen. Klar, gehört die körperliche Fitness und ein Team zusammen stellen auch dazu. Doch das ist am Anfang so weit weg. Daher denke ich, das allerwichtigste ist, dass man Lust hat viel zu fliegen, das man Lust hat sich langsam aufzutauchen und sich dann eine Vertrauensperson sucht, mit der ich mich austauschen kann und wir gemeinsam überlegen kann, wie es weiter gehen kann. Ich hatte auch immer Piloten bewusst oder unbewusst um mich herum, die ich fragen konnte oder die mir sagten „das ist jetzt aber etwas krass“. Das ist einfach wichtig, dass man gute Leute um einen hat, die einem einen Rahmen geben.
Hast du noch letzte Worte, die du loswerden willst?
Ich finde es einfach wahnsinnig, wie die Faszination für den Hike & Fly Sport sich entwickelt hat. Vor 25 Jahren waren es dieses Gleitschirm-Wettkampffliegen. Und jetzt gibt es Akrofliegen, die Tricks machen, die ich nicht mehr verstehe. Dann gibt es diese Hike & Fly Bewerbe. Das gibt so vielen Menschen so viel und alles ist unter dem Dach „Gleitschirmfliegen“. Das möchte ich gerne mit unterstützen. Es gibt so viele Ansichten und Facetten, die es einem ermögliche sich zu entwickeln.
Ich danke Chrigel für diese vielen spannenden und hilfreichen Einblicke und drücke ihm die Daumen für die zukünftigen Abenteuer!
Yvonne
Links zu Chrigel Maurer:
Webseite: https://chrigelmaurer.ch/
Instagram: https://www.instagram.com/chrigelmaurer_offiziell/
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