Mit Lebensfreude Grenzen überfliegen...

Freitag, 14 Oktober 2022 10:57

Stress erhöht das Unfallrisiko

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Helikopter Helikopter Fabio Grandis von Pixabay

Stress ist ein allgegenwärtiges Thema. Jeder hat immer wieder Phasen in denen Stress in den unterschiedlichsten Lebensbereichen auftauchen. Viele Pilot:innen wissen aus eigener Erfahrung, dass Stress die Leistung negativ beeinflusst. Wichtig dabei ist, dass ein ungesundes Stressniveau die Anfälligkeit für Unfälle erhöht.

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Ein Leben ohne Stress?

Ein Leben ganz ohne Stressoren (=Reize, die Stress auslösen können) kann ich mir kaum vorstellen. Stell dir vor, du würdest im sprichwörtlichen Schlaraffenland leben. All deine Wünsche würden dir von den Lippen abgelesen werden, du müsstest dich um nichts kümmern, alles geschehe ganz von allein. Wie lange wäre das schön? So ein paar Wochen im Urlaub ist das sehr angenehm. Vielleicht auch eine etwas längere Zeit. Doch irgendwann wäre das Leben ziemlich langweilig. Das zeigt schon, dass ein gewisses Stressniveau uns fordert und sogar gut für unser Wohlbefinden sein kann, solange die Anforderungen nicht zu hoch werden.

 

Wie Stress entsteht

Beim Gleitschirmfliegen und bei allen anderen Sportarten gibt es eine Vielzahl von Stressoren, die uns beeinflussen können. Aus der direkten Umwelt eines Piloten könnten das Zuschauer, andere Piloten, seitlicher Wind, zu viel oder auch zu wenig Wind, verändernde Wetterverhältnisse und vieles mehr sein. Indirekt können auch Stressoren aus dem privaten oder beruflichen Umfeld wie z.B. Konflikte mit dem Partner oder Kollegen, Identitätskrisen, Familienzuwachs, Überforderungen in der Arbeit oder ähnliches eine Rolle spielen. Wenn die eigene fliegerische Leistung nicht den eigenen Ansprüchen entspricht, kann auch das ein zusätzlicher Stressor sein.

 

Kommen viele kleinere und größere Stressoren zusammen, kann dies zu einer hohen Stressbeanspruchung und damit zum Stresserleben führen. Ob ein Stressor zu einer Stressbeanspruchung führt hängt von der eigenen Person ab. Stressoren oder auch Stressbelastungen sind grundsätzlich erst einmal neutral.

 

Mit einem Beispiel möchte ich dir das verdeutlichen: Ein Stressor wie kräftiger Wind am Startplatz kann für Pilot 1, der schon viel Erfahrung hat und jede Gelegenheit zum Groundhandling nutzt, eine willkommene Gelegenheit sein, um den Cobrastart anzuwenden. Für Pilot 2, der gerade erst seine Ausbildung beendet hat und diverse Schwierigkeiten beim Rückwärtsaufziehen hat, ist die Situation eher überfordernd.

 

Aber nicht nur zwischen verschiedenen Pilot:innen sondern auch unterschiede in der physischen oder psychischen Verfassung eines Piloten können das Beanspruchungsniveau beeinflussen. Wenn Pilot 1 ausgeschlafen und fit ist, fühlt er sich in starker Thermik wohl. Hat er schlecht geschlafen oder ist anderweitig körperlich angeschlagen, kann starke Thermik dazu führen, dass er sich überfordert und unsicher fühlt.

 

Nicht jede hohe Stressbelastung ist also für jeden Piloten auch eine hohe Stressbeanspruchung. Es kommt immer auch auf die persönliche psychische und physische Verfassung an.

Transaktionale Stressmodell

In der Abbildung sind die Stressmechanismen zu sehen, in Anlehnung an das transaktionale Stressmodell nach Lazarus

Der Kopf kann Stress noch verstärken

Unser Verstand ist ständig damit beschäftigt die Umweltreize zu verarbeiten und zu interpretieren. Dabei finden Bewertungen der Situation als positiv, neutral oder gefährlich statt. Wenn eine Situation für uns als gefährlich beurteilt wird und wir dann in der zweiten Bewertung feststellen sollten, dass unsere Ressourcen nicht für die Situation ausreichen könnten, entsteht Stress. Unter einer „gefährlichen“ Situation kann auch eine Situation fallen, die lediglich unser Image gefährdet. Wenn wir z.B. befürchten ausgelacht zu werden, dann ist die Situation für uns ebenfalls negativ und potentiell gefährlich. Ressourcen sind alles, was uns helfen kann eine Situation zu meistern z.B. Flugpraxis, Regulationsfähigkeit, lösungsorientiertes Denken, andere Piloten, die einen unterstützen usw.

Manche Piloten verstärken die Stressbelastung indem sie sich selbst noch mehr Druck machen. So möchten einige besonders „perfekt“ starten und landen oder sie möchten nicht als „Startplatzblockierer“ gelten und möglichst schnell starten oder ungeduldig warten bis sie an der Reihe sind. In der Luft möchten einige nicht als „Loser“ gelten und „beißen die Zähne zusammen“, obwohl die Flugbedingungen bereits nicht mehr gut zum Fliegen sind.

 

Stress wirkt sich auf das Fliegen aus

Sollte die Bewertung ergeben, dass die eigenen Ressourcen für die Situation womöglich nicht ausreichend sind, entsteht Stress, welcher sich auf unsere Emotionen, Kognitionen, Körper und das Verhalten auswirkt.

 

Auf der emotionalen Ebene kann es zu Unwohlsein, Zweifel oder sogar Ängsten kommen. Auf der kognitive Ebene wird das Denken beeinflusst, es fällt einem schwerer sich zu fokussieren und die körperlichen Reaktionen werden häufig als schlimm und zusätzliche Stressbelastung empfunden. Im Zusammenspiel mit Bewertung der körperlichen Reaktionen und den körperlichen Reaktionen (z.B. schwitzen, Herzrasen, Verspannungen) schaukelt sich die Stressreaktion nach oben. Dieses Zusammenspiel der ersten drei Stressreaktionen führt schlussendlich häufig auch dazu, dass wir anders fliegen. Das fängt schon vor dem Start an, so trinken manche vor dem Start Alkohol oder konsumieren Canabis, um die Stressreaktionen zu betäuben, während des Fluges sie fliegen defensiver oder aggresiver oder gehen früher landen.

 

Das Verletzungsrisiko steigt unter Stress

Pilot:innen unter Stress sind häufig durch ihre Stressreaktionen abgelenkt, sie haben Probleme sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, die Reaktionszeit verlangsamt sich, was zusätzlich ein Risiko beim Fliegen ist. Unter Stress wird auf der körperlichen Ebene zwar die Durchblutung erhöht, was dazu führt, dass die Muskeln besser und schneller reagieren können, leider wird aber der Bereich des Gehirns weniger durchblutet, der für das rationale logische Denken zuständig ist, diese Tatsache erhöht das Risiko für Fehlentscheidungen.

 

Wie kann das Verletzungsrisiko gesenkt werden?

Jede:r Pilot:in hat natürlich eigene Grundvoraussetzungen, die dazu führen, dass Situationen als Stress erlebt werden oder nicht. Es gibt Menschen die von Natur aus eher ängstlich oder draufgängerisch sind, darauf haben wir nicht so viel Einfluss. Dennoch kann durch die Sportpsychologie auf den anderen Ebenen Einfluss genommen und das Verletzungsrisiko gesenkt werden.

 

Zunächst sollte das Umfeld möglichst optimiert werden. Wenn an den äußeren Umständen etwas zum Positiven verändert werden kann, dann ist das einfacher, als mental dagegen anzukämpfen. So ist es beispielsweise einfacher bei einem Streckenflug eine Windel oder ein Urinalkondom zu benutzen, als mental den Druck der Blase zu unterdrückenAls Pilot ist es wichtig, die eigenen Stressoren im Umfeld zu erfassen, damit diese im Anschluss optimiert werden können.

 

Wenn die äußeren Umstände optimiert sind, dann ist der nächste Ansatzpunkt die eigenen Motive und Ziele zu klären. Davon abhängig ist die eigene Selbstwirksamkeitserwartung, also das Vertrauen und die Überzeugung in die eigenen Fähigkeiten, um die Flugsituationen meistern zu können. Daneben können die eigenen Stressverstärker analysiert und gegebenenfalls neu bewertet werden. Ein Achtsamkeitstraining kann helfen, den Fokus zu halten und Situationen als neutral zu begegnen und die eigenen Grenzen zu erkennen. Ein Entspannungstraining kann die Regenerationsfähigkeit des Körpers fördern.

 

Abschließend sollten für Situationen, die auf einen zukommen können, mentale Handlungspläne erstellt und eingeübt werden. Ein Handlungsplan ist vergleichbar mit den Plänen in Gebäuden, die einem dem Weg nach draußen im Brandfall zeigen. Habe ich mir den Plan angesehen und eingeprägt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich im Brandfall den Ausgang finde höher, als wenn ich den Plan nicht angesehen habe. Beim Fliegen ist das ganz ähnlich, habe ich mir für eine Situation einen Plan gemacht und eingeprägt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ich in dieser Situation gelassen auf den richtigen Plan zurückgreife und situationsangemessen handle.

 

Fazit

Stress ist zweifelsohne ein Risiko für Verletzungen beim Fliegen. Es ist nicht möglich und sicherlich auch nicht gewünscht jeder Form des Stresses zu vermeiden. Allerdings kann auf vieles, dass zu einer Stressbeanspruchung führt beeinflusst werden.

 

Wenn du dabei Unterstützung benötigst, melde dich gerne bei mir...

 

Viel Aufwind in allen Lebensbereiche, wünscht

 

Yvonne

  


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Letzte Änderung am Donnerstag, 20 Oktober 2022 16:35
Yvonne Dathe

Psychologin (M.Sc.) • Dipl. Betriebswirtin • Gleitschirm-Fluglehrerin

Seit 1994 fliegt Yvonne leidenschaftlich mit dem Gleitschirm. Sie schreibt über das Fliegen, das ACTive Leben und bietet psychologische Beratung an: Mentales Training • Stressige Situationen und Krisen meistern. Ihr Motto ist "Mit Lebensfreude Grenzen überfliegen!"

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