Mit Lebensfreude Grenzen überfliegen...

Dienstag, 11 Mai 2021 15:07

5 Tipps gegen die Online-Müdigkeit

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Videokonferenz Videokonferenz Chris Montgomery - unsplash

Seit über einem Jahr ist für viele der Austausch über Bildschirm zur Normalität geworden. Die Interaktion über Online-Medien kann für unser Gehirn extrem anstrengend sein. Kopf- oder Magenschmerzen, Lustlosigkeit oder Schlafstörungen sind Anzeichen für Onlinemüdigkeit. Warum Online-Konferenzen so anstrengend sind, und was du tun kannst, erfährst du in diesem Beitrag.

 

 

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Die neue Arbeitsrealität: Homeoffice

Bis vor einem Jahr waren nur Menschen im Homeoffice, die das unbedingt wollten. Viele träumten davon, ihre Arbeit von zu Hause aus zu erledigen. Die Vorstellung weniger Arbeitsweg, mehr Zeit für Familie und Freizeit, bequeme Kleidung und mehr Selbstbestimmung war sehr paradiesisch.

 

Heute finden sich viele im Homeoffice wieder, für die dies niemals vorstellbar gewesen wäre. Neben den Vorteilen finden sich nun auch einige Nachteile: Einsamkeit, Organisationsschwierigkeiten mit Lebenspartner und Kinder, Kommunikation mit den Kollegen und Vorgesetzten, Schwierigkeiten sich selbst zu organisieren.

 

Die Krankmeldungen sind im Jahr 2020 im Vergleich zu den Vorjahren gesunken (lt. Bericht der TK). Allerdings seien die Krankschreibungen wegen psychischer Diagnosen (z.B. Depression und Angststörungen) gestiegen. Dies sei auch in den Jahren vor Corona schon als Trend zu beobachten gewesen. In den letzten drei Jahren seien psychische Diagnosen der höchste Anteil an Fehlzeiten (rund 20 %), so Dr. Jens Baas TK-Chef. Die gesunkenen Fehlzeiten, sind für Arbeitgeber sicher vorteilhaft.

 

Wie äußert sich Online-Müdigkeit

Einer meiner Klienten ist einer dieser, die bisher nicht ins Homeoffice wollten. Er heißt Peter, ist 42 Jahre, Single und Abteilungsleiter einer größeren Firma. Erst hat er sich gefreut, dass er sich den 45-minütigen Arbeitsweg sparen kann. Doch als er im Herbst wieder für längere Zeit ins Homeoffice geschickt wurde, nahmen seine Symptome, die er bereits im Frühjahr hatte zu:

  • Schlafstörungen
  • Magenschmerzen
  • nächtliches Grübeln
  • Gefühl der Einsamkeit
  • Motivationsverlust

Einmal sagte Peter „Am liebsten wäre ich einfach im Bett liegen geblieben und hätte den Bildschirm gar nicht mehr angeschaltet. Ich war zwar physisch für meine Kollegen am Bildschirm präsent, aber trotzdem hatte ich das Gefühl abgekapselt zu sein.“

 

Fredericke hingegen ist alleinerziehende Mutter einer 7-jährigen Tochter. Sie berichtete, dass ihr die Doppelbelastung von Betreuung der Tochter und gleichzeitiges Arbeiten im Homeoffice ziemlich zu schaffen macht. Eine Videokonferenz nach der anderen, Begleitung der Videokonferenz ihrer Tochter und Videokontakte mit Freunden und Familienmitgliedern. Irgendwann konnte sie sich nicht mehr konzentrieren und wurde immer gereizter der Tochter gegenüber. Sie zog sich immer mehr zurück, enwickelte Ängste vor dem nächsten Tag und verlor immer mehr an Antrieb. Sie litt an Dauerkopfschmerzen und Rückenschmerzen.

 

Was ist an Videokonferenzen so belastend?

Prof. Dr. Jutta Rump (Institut für Beschäftigung und Employability) befragte im Dezember 2020 422 Führungskräfte. 62,4 % der Befragten litten im Dezember 2020 an Videokonferenz-Müdigkeit.

 

70 % der Betroffenen gaben an, dass die fehlenden nonverbalen Hinweise ein Belastungstreiber sei. Rund 45 % der Betroffenen nannten speziell das Fehlen von Mimik und Gestik als belastend. 52 % vermissten das Netzwerken und den Small Talk mit anderen. Weitere Faktoren, waren die schlechte Tonqualität, was zu erhöhter Konzentration führte, die Zeitverzögerung und Frust über schwache Internetverbindungen. Insgesamt könne der Hauptbelastungstreiber auf fehlende menschliche Interaktion zusammengefasst werden.

 

Fehlende Körpersprache

Über die Körpersprache erkennen wir, ob unser Gegenüber uns freundlich oder ablehnend gestimmt ist. Wir bekommen anhand von Mikroausdrücken, Handgesten und der Mimik einen Eindruck, ob wir mit dem Gesagten ankommen, ob es Zustimmung gibt oder nicht. In Videokonferenzen ist es viel schwieriger ein nonverbales Feedback zu erhalten. Besonders, wenn einige Teilnehmer die Kameras aus haben. Die Konzentration verlagert sich fast nur noch auf das was gesprochen wird.

 

Wenn viele Personen an einer Konferenz teilnehmen gibt es eine Galerieansicht. Nun dürfen wir uns auf viele Menschen gleichzeitig konzentrieren. Die Aufmerksamkeit wird aufgeteilt und führt zu irritierenden Gefühlen, ausgelaugt sein, ohne wirklich etwas erreicht zu haben.

 

Je weniger nonverbale Signale wir wahrnehmen können, desto mehr strengt sich unser Gehirn an und desto mehr Energie wird verbraucht (Petriglieri, 2020)

 

Nur noch ein Raum für Interaktionen

Normalerweise treffen wir an vielen verschiedenen Orten die unterschiedlichsten Menschen. Am Arbeitsplatz treffen wir Kollegen, beim Einkaufen treffen wir die Nachbarn, am Berg treffen wir andere Wanderer und Gleitschirmpiloten, unsere Freunde treffen wir in einer Bar oder zu Hause. Nun treffen wir alle in einem einzigen Raum, in unserem Computer im Büro. Die einzige Interaktion, welche wir mit anderen Menschen teilen findet vor dem Bildschirm statt.

 

Unser Selbst ist normalerweise von vielen situationsabhängigen sozialen Rollen gekennzeichnet, wir sind Vater / Mutter, Kinder, Freunde, Sportskameraden uvm. Wir haben viele verschiedene Beziehungen, unterschiedliche Interessen, die zu unterschiedlichen Aktivitäten und Zielen führen. Je mehr Rollen wir inne haben, desto weniger anfällig sind wir für Stress. Im Homeoffice wurde unsere Selbstkomplexität (Linville, 1985) reduziert, was uns anfälliger für belastende Gefühle macht.

 

Dazu kommt die Tatsache, dass es schwerer wird Arbeit und Privates voneinander zu trennen. In einem „richtigen“ Büro können Dinge einfach liegen gelassen werden und wenn ich nach Hause gehe, ist Feierabend. Im Homeoffice fällt dies vielen schwer. Die Grenzen verschwimmen, noch kurz eine eMail oder noch schnell eine Videokonferenz vor dem Abendessen sind ja „kein Problem“. Das Abschalten von der Arbeit fällt zunehmend schwer, die Gedanken kreisen ständig um das, was noch erledigt werden müsste.

 

Tipps gegen die Videokonferenz-Müdigkeit

Was kann nun also getan werden, um der Online-Müdigkeit nicht zum Opfer zu fallen?

  1. Aktiv Pausen einbauen
    Wenn Vidoekonferenzen länger als eine Stunde dauern, empfiehlt es sich, aktive Pausen einzuplanen. So können die Teilnehmer mal weg vom Bildschirm, sich entspannen, die Beine vertreten, neue Energie tanken, um wieder kreativ zu werden. Vielleicht lässt sich auch eine kleine Sportsequenz mit einbinden. Stündlich oder spätestens nach 90 Minuten sollte eine kleine Pause sein.
  2. Kürzere Formate
    Ganztages Seminare lassen sich auch online durchführen, dennoch sollte überlegt werden, ob es nicht sinnvoller ist, kürzere Einheiten zu planen und dafür über einen längeren Zeitraum oder in höherer Frequenz. So bleibt die Konzentrationsfähigkeit besser erhalten.
  3. Kein Multitasking
    Multitasking ist sowieso abzulehnen. Dadurch ist die Aufmerksamkeit geteilt, was zu geringer Konzentration und erhöhter Fehlerquote führt. Gerade bei Videokonferenzen ist es natürlich sehr verlockend nebenbei die eMails zu bearbeiten oder an anderen Projekten weiter zu machen. Doch das erschöpft unglaublich und stört die Aufnahmefähigkeit.
  4. Abwechslungsreiche Kommunikation
    Alle Teilnehmer sollten zu Wort kommen. Agile Tools können die Kommunikation und das gemeinsame Arbeiten erleichtern. Wenn sich Dinge am Telefon regeln lassen, ist es sinnvoll darauf auszuweichen. Bei einem Telefonat ist klar, dass nur die Stimme zählt, somit ist dies weniger belastend als eine Videobesprechung.
  5. Digitaler Detox
    Anstatt ständig erreichbar zu sein, wie wäre es mit Zeiten totaler Unerreichbarkeit. Die Welt um uns herum hat so viel zu bieten, dass es durchaus mal Sinn macht, alle technischen Geräte auszuschalten und wahrzunehmen, was um uns geschieht. Zu spüren, was real ist, die Natur zu riechen und den Frühling zu erleben. Sich mit einem Freund im realen Leben treffen, auch wenn die Cafes zu haben, ist ein Spaziergang möglich. So können auch wieder neue Ideen entstehen und vor allen können sich unsere Energiepuffer wieder aufladen.

 

Was sind deine Tipps, um nicht online-müde zu werden?

 

Literaturverzeichnis:

Jiang, M. (2020). The reason Zoom calls drain your energy (Interview mit Gianpiero Pertiglieri). BBC Britain. Verfügbar unter: https://www.bbc.com/worklife/article/20200421-why-zoom-video-chats-are-so-exhausting

Linville, P.W. (1985). Self-complexity and affective extremity. Social Cognition, 3, 94-120.

Rump, J. (2012) & Brandt, M. (2020). Zoom-Fatigue - Phase 2. Institut für Beschäftigung und Employability IBE. Verfügbar unter: https://www.ibe-ludwigshfen.de/wp-conten/uploads/2020/12/Folien_IBE-Studie_Zoom-Fatigue_2-Phase.pdf 

TK: Krankenstand 2020. Verfügbar unter: https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/trotz-corona-krankenstand-sinkt-anstieg-psychischer-diagnosen-2099838?tkcm=ab

 

Gelesen 2024 mal Letzte Änderung am Dienstag, 11 Mai 2021 16:01
Yvonne Dathe

Psychologin (M.Sc.) • Dipl. Betriebswirtin • Gleitschirm-Fluglehrerin

Seit 1994 fliegt Yvonne leidenschaftlich mit dem Gleitschirm. Sie schreibt über das Fliegen, das ACTive Leben und bietet psychologische Beratung an: Mentales Training • Stressige Situationen und Krisen meistern. Ihr Motto ist "Mit Lebensfreude Grenzen überfliegen!"

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