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Mittwoch, 11 Mai 2016 10:25

Warum S.M.A.R.T.-Ziele nicht funktionieren

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Warum S.M.A.R.T.-Ziele nicht funktionieren Yvonne Dathe

Wenn ich in meinen Trainings und Seminaren frage, wie Ziele formuliert sein sollen, dann kommt fast immer „Ziele sollten S.M.A.R.T sein“ - also: spezifisch-messbar-attraktiv-realistisch-terminierbar. Die Psychologen Locke und Latham haben dieses Akronym ins Leben gerufen. Sie haben in Studien nachgewiesen, dass bei konkreten Zielen die Leistung erhöht werden kann, vorausgesetzt es handelt sich um einfach strukturierte, ergebnisbezogene Aufgaben. Wenn ich also z. B. auf einen Marathon trainieren möchte, dann gibt es zahlreiche Trainingspläne, die mir sagen wie oft und wie lange ich pro Woche laufen muss, um eine vorgegebene Laufzeit zu erhalten.

Pilotinnen und Unternehmerinnen finden sich allerding in einer komplexen, dynamischen Umwelt wieder, in dem nicht im Voraus geklärt ist, welches Handeln zum gewünschten Erfolg führt. Mit anderen Worten: S.M.A.R.T.-Ziele funktionieren hier nicht. Es kann sogar sein, dass in solchen Situationen spezifische Ziele den Druck und damit den Stress erhöhen. Warum das so ist und welche Ziele besser geeignet sind, erfährst du in diesem Beitrag.

Mehr Stress durch S.M.A.R.T.-Ziele

Locke und Latham haben sich intensiv auch mit komplexen, dynamischen Situationen beschäftigt. Sie fanden heraus, dass spezifische Ziele nur dann eine Aussicht auf Erfolg haben, wenn der Weg zu mehr Leistung / Erfolg bekannt ist (so wie in dem Marathonbeispiel).

In einer Untersuchung wurden spezifischen Ziele im Servicebereich einer Gastronomie untersucht. Die Bedienungen sollten jedem Kunden für 3 Sekunden in die Augen sehen. Eine Servicesituation kann vielseitig sein und als komplex angesehen werden. In der Untersuchung zeigte sich, dass sich die Mitarbeiter in ihrem Handlungsspielraum eingeschränkt fühlten und erlebten daraufhin erhöhten Stress. Denn nicht bei jedem Kunden war es gut und angemessen ihm 3 Sekunden in die Augen zu blicken.

Das gleiche passiert beim Fliegen, wenn ich mir z.B. zum Ziel setzte in jeder Thermik mindestens 10 Kreise (spezifisch) zu drehen. Lässt die Thermik nach (Situation ändert sich) - gerate ich in Stress.

Handlungen laufen oft unbewusst ab

Ein weiterer Grund warum sich S.M.A.R.T.-Ziele nicht eignen, ist die Tatsache, dass viele unserer Handlungen unbewusst ausgeführt werden. Jede Handlung wird beeinflusst durch Beurteilungen, Einstellungen, Vorurteilen über die Situation und können alte Erinnerungen aktivieren, ohne dass wir dies bewusst wahrnehmen. Diese Aktivierung kann die Interpretation einer Situation und damit das Handeln in der Welt stark beeinflussen.

So kann es sein, dass sich jemand zum Ziel setzt "20 Kundenkontakte pro Tag" oder "Mindestens 5 Starts pro Tag", gleichzeitig meldet das Unterbewusstsein "ich brauche mal ne Auszeit" oder "zu Hause warten deine Kinder auf dich". Wenn das Unterbewusstsein sich mit einem Veto meldet, wird es schwer sein, die spezifischen Ziele umzusetzen. Es besteht ein Zielkonflikt zwischen bewussten und unbewussten Motiven - das kann auf Dauer nicht funktionieren.

Wann S.M.A.R.T.-Ziele funktionieren:

Wenn du mit spezifischen Zielen arbeiten möchtest, dann muss sicher sein, dass

  • die Aufgabe einfach strukturiert ist
  • du für das Ziel intrinsisch (also von innen heraus) voll motiviert bist, du also einen Sinn in der Ausübung der Aufgabe siehst
  • keine Zielkonflikte zwischen bewussten und unbewussten Motiven bestehen.

Diese drei Kriterien sind in vielen alltäglichen, beruflichen und fliegerischen Situationen nicht zu gewährleisten, daher ist es wichtig hier einen anderen Weg einzuschlagen. Maja Storch und Frank Krause haben für solche Fälle die sogenannte "Motto-Ziele" entwickelt.

Motto-Ziele für dynamische, komplexe Situationen

Besteht eine Differenz zwischen dem momentanen IST-Zustand und dem zukünftiken Soll-Zustand entsteht Motivation zu handeln. Dabei ist wichtig zwischen intrinsichen und extrinsichen Zielen zu unterscheiden.

Extrinsische Ziele richten sich auf ein Ergebnis (Umsatz, Platzierung, Gewinn...). Intrinsische Ziele hingegen finden ihre Motivation in der Handlung selbst ("ich liebe es zu fliegen", "es macht mir Spaß meine Klienten zu unterstützen"...).

Die Motivation kommt also bei extrinsichen Zielen von außen und bei intrinsichen Zielen von den inneren Gefühlen und Werten. Die Motivationspsychologie hat festgestellt, dass bewusste extrinsiche Ziele nur eine "lauwarme" Qualität haben (also nur geringe Motivation mitbringen). Wenn ich ein Ziel formulieren möchte, dass mich so richtig begeister, so dass ich gar nicht anders kann, als diese Ziel zu verfolgen, benötige ich mein "Bauchgefühl", die mir helfen meine intrinsichen Motive zu erkennen.

Dieses Bauchgefühl kannst du in deinem gesamten Körper spüren. Im Millisekundenbereich wird jede Situation mit gespeicherten Daten abgeglichen (Extensionsgedächtnis) und liefert dir ein Ergebnis: gut-schlecht, machen-vermeiden.... Der Hirnforscher Damasio nannte diese Signale "somatische Marker". Mit Messinstrumenten konnte er selbst kleinste wahrnehmbare körperliche Signale aufzeichnen.

Für Pilotinnen und Unternehmerinnen ist es sinnvoll zu lernen, diese Signale wahrzunehmen und zu deuten, denn sie liefern extrem schnell Ergebnisse und unterstützen ein Ziel zu finden, dass dich so richtig mitreist.

Wenn du feststellst, dass zwischen deiner bewussten Absicht und dem inneren Bauchgefühl eine Diskrepanz besteht, fühlst du dich innerlich zerrissen und unwohl. Dieses ungute Gefühl kann für eine Weile übergangen werden, wenn ich mich zum beispiel für das Fertigstellen der Steuererklärung zwinge. Doch für längerfristige berufliche, fliegerische oder private Projekte ist dieses Übergehen der Gefühle schädlich. Dass kann bis zu einem dauerhaften Gefühl der Selbstentfremdung, Unwohlsein, Burnout oder Depression führen.

 


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Grundsätze für die Formulierung von Motto-Zielen

Damit es dir leichter fällt ein Motto-Ziel zu formulieren, schlage ich dir das F.L.I.E.G.E.R-Modell vor. Es orientiert sich an den Erkenntnissen von Maja Storch und Frank Krause und erwies sich schon für viele meiner Seminarteilnehmer als hilfreich:

F = Fokus auf ein Ziel

L = Lust und Freude auf das Ziel

I = Ich -Position

E = Eindeutig Positiv

G = Gegenwart

E = Eindeutige Bilder

R = Realistisch / unrealistisch

Fokus:
Konzentrier dich zunächst auf ein bedeutsames Thema. Versuche nicht gleich die ganze Welt zu ändern. Oft ist es so, dass wenn du ein Thema positiv veränderst, dann ändern sich auch andere Themen. Und nur, wenn du dich auf einen Bereich konzentrierst, wirst du auch in diesem Bereich dein Ziel erreichen können. Wir alle haben nur begrenzt Ressourcen zur Verfügung, am deutlichsten wird das bei der Zeit. Wir können nicht alles auf einmal erledigen, aber wenn du ein Ziel (Thema) nach dem anderen angehst, wirst du am Ende eines nach dem anderen verändern und umsetzen könne. Also konzentriere dich zunächst auf ein Thema und greife erst später die anderen Themen an.

Leidenschaft und Freude:
Es ist wichtig, dass du positive Gefühle bei deinem Ziel entwickeln kannst, nur dann bist du auch motiviert etwas zu verändern. Oft reicht schon ein gut formuliertes Motto-Ziel, um zielwirksames Handeln in die Wege zu leiten.

Ich-Position:
Du bist das Einzige was du verändern kannst. Wir können weder die Umwelt noch andere Personen verändern. Daher ist es wichtig, dass das Ziel, durch dich selbst erreichbar ist. Ein Pilotenziel „Ich bin erster beim nächsten Wettbewerb“ ist wenig zielführend. Denn die anderen Pilotinnen haben vermutlich ein ähnliches Ziel. Und die Pilotin könnte den besten Flug ihres Lebens abliefern und wäre unter Umständen doch nicht erste, da eine andere noch besser geflogen ist. Frust ist mit solch einer Formulierung vorprogrammiert. Hingegen wenn sie das Motto-Ziel hat „Ich fliege, konzentriert und intuitiv wie ein Adler über das Land“, liegt es bei ihr ob sie das Ziel umsetzen kann.

Eindeutig Positiv:
Es ist wichtig, dass dein Ziel in dir positive Gefühle auslöst, ansonsten wird dein Unterbewusstsein dich sabotieren. Suche dir ein Hinzu-Ziel, so können positive Bilder und Gefühle entstehen.

Gegenwart:
Das Ziel sollte in der Gegenwart formuliert werden. Zukunft und Vergangenheit existieren nur in deinem Kopf, nicht aber auf der körperlichen und unbewussten Ebene. Daher achte auf eine Formulierung, mit der deine unbewussten Teile etwas anfangen können und das ist die Gegenwart.

Eindeutige Bilder:
Bilder sind die Verbindung zwischen deiner körperlichen und rationalen Ebene. Achte darauf, dass bei deinen Zielen positive Bilder entstehen. Gerne kannst du hier auch etwas kitschig werden, damit du noch besser Bilder erzeugen kannst. („leicht wie eine Feder“, „Ich tanze auf dem Regenbogen“…).

Ziele wie „Angstfrei“ sind übrigens weder eindeutig positiv noch erzeugen sie eindeutig positive Bilder. Bei solch einem Ziel entstehen bei den meisten Menschen Bilder die Angstbesetzt sind und diese müssen dann irgendwie ausgelöscht werden, das klappt nicht. also lieber Ziele wie „Entspannt sein“, „ich schwebe mit Leichtigkeit über den Boden“ usw.

Realistisch / Unrealistisch:
Hier geht es darum, sich nicht gleich zu viel zuzumuten. Jede Veränderung ist ein Prozess und so auch die Veränderung deiner Haltung, Einstellung und Verhalten. Daher sollten am Anfang kleinere Herausforderungen angenommen werden. Der Schwierigkeitsgrad kann dann Schritt für Schritt gesteigert werden.

Ganz nach dem Motto:
"Tue erst das Notwendige, dann das Mögliche und irgendwann wird dir das Unmögliche gelingen!!
 "
(Franz von Assissi)

Der Effekt von Motto-Zielen

Motto-Ziele haben in komplexen, dynamischen Umgebungen den Vorteil, dass sie die Handlung ganz automatisch, situativ angemessen steuern. Oft ist es gar nicht notwendig ein neues Verhalten zu lernen. Das Ziel reicht aus, um ein neues Verhalten zu zeigen.

Wenn zu neue Handlungen ein altes Muster verlernt werden muss, müssen jedoch weitere Maßnahmen im Sinne von "Wenn-Dann-Plänen" getroffen werden. Dies gilt auch für Situationen, in denen alte Handlungsmuster getriggert (aktiviert) werden. 

Wenn du möchtest, freue ich mich über deine Ziele oder dein Feedback per Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder in den Kommentaren!


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Letzte Änderung am Samstag, 03 Dezember 2022 11:57
Yvonne Dathe

Psychologin (M.Sc.) • Dipl. Betriebswirtin • Gleitschirm-Fluglehrerin

Seit 1994 fliegt Yvonne leidenschaftlich mit dem Gleitschirm. Sie schreibt über das Fliegen, das ACTive Leben und bietet psychologische Beratung an: Mentales Training • Stressige Situationen und Krisen meistern. Ihr Motto ist "Mit Lebensfreude Grenzen überfliegen!"

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